30.03.2022
Tatort Pflanzenfalle: DNA-Spuren geben Speiseplan fleischfressender Pflanzen preis
SNSB Forscher ermitteln den exakten Speiseplan fleischfressender Pflanzen aus Australien durch die Analyse der Gene ihrer Beutetiere. Sogar winzige
Parasiten auf gefangenen Insekten konnten so aufgespürt werden. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Wissen-schaftler nun in der Fachzeitschrift Scientific Reports.
Die Untersuchung des Beutespektrums von fleischfressenden Pflanzen in
deren natürlichen Lebensraum ist schwierig und aufwändig. Viele Beutetiere
auf und in den Fallen fleischfressender Pflanzen sind durch den
Verdauungsprozess nur noch schwer zu identifizieren. Gerade kleine,
weichhäutige Insekten wie Mücken und kleine Fliegen sind durch den
Verdauungsprozess oft nur noch als kleine unidentifizierbare Krümmel
erkennbar. Um die vielfältigen gefangenen Insektenarten sicher
identifizieren zu können, benötigt man viele Spezialisten und Experten.
Doch eines lässt jedes Insekt auch nach seiner Verdauung auf den Blättern
der räuberischen Pflanzen zurück: DNA. Diese spürten nun Wissenschaftler
der Botanischen und der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB BSM &
SNSB ZSM) sowie der Curtin-Universität in Perth, Westaustralien auf. Mit
der molekularbiologischen Methode des DNA-Metabarcoding analysierten die
Forscher die DNA-Spuren der gefangenen Insektenarten von den Blättern des
australischen Sonnentaus (Drosera). Sie konnten so die Insektenarten des
Beutespektrums von Drosera zuverlässig identifizieren. Um die Ergebnisse
der Genanalysen zu überprüfen, verglichen die Wissenschaftler diese
anschießend mit Makro-Fotografien der gefangenen Insekten.
Koautor der Studie Thilo Krueger von der Curtin-Universität in Perth
fertigte dazu im Rahmen seiner Doktorarbeit tausende von Fotos an, um
jedes einzelne gefangene Beutetier auf jedem gesammelten Drosera-Blatt zu
dokumentieren. „Die Ergebnisse waren erstaunlich: wir konnten jedes noch
so kleine gefangene Beutetier eindeutig über seinen DNA-Barcode
identifizieren“, erläutert Thilo Krueger. Aber auch genetische Spuren von
Insekten, die gar nicht als Beute gefangen wurden, konnten durch den
Fotovergleich erkannt und ausgeschlossen werden: so zum Beispiel einige
größere Bienen und Wespen, denen es oft gelingt, sich aus den klebrigen
Fallen der Sonnentau-Blätter zu befreien. Auch dabei hinterlassen sie
winzige DNA-Spuren auf den Blättern. Die Methode des DNA-Metabarcodings
ist so empfindlich und genau, dass auch winzigste Insekten nachgewiesen
werden konnten, die nicht als Beute auf den Blättern sichtbar waren.
Beispielsweise Parasiten von gefangenen Insekten, die natürlich von der
Pflanze als „Beifang“ auch mitverdaut werden.
„Unsere Untersuchungen zum Beutespektrum von fleischfressenden Pflanzen
mittels genetischer Fingerabdrücke der gefangenen Beutetiere ähnelte fast
einer modernen kriminalistischen Tatortrekonstruktion anhand von DNA-
Spuren. Nur dass unsere “Crime Scene Investigation” darin bestand,
herauszufinden was die fleischfressenden Pflanzen auf dem Mittagstisch
hatten“, so Insektenexperte Dr. Axel Hausmann von der Zoologischen
Staatssammlung München (SBSB-ZSM).
Als Studienobjekt haben die Wissenschaftler fleischfressende Pflanzen der
Gattung Sonnentau aus der Kimberley-Region im tropischen Nordaustralien
(Drosera) gewählt. “Drosera-Arten sind perfekt für unsere Untersuchungen,
weil deren glitzernde klebrige Blätter offene Fallensysteme darstellen,
das heißt, die gefangenen Beutetiere sind leicht sichtbar und kön-nen auch
gut fotografisch dokumentiert werden. Und die Insektenbeute trocknet auf
diesen Blättern schnell ab, nachdem sie verdaut wurde, was wichtig für den
guten Erhalt des DNA-Material darin ist. Wasser ist der größte Feind beim
Erhalt von Erbmaterial in unseren Versuchen, deswegen funktioniert die
Methode bei den bekannten Kannenpflanzen nicht so gut“, so Studienleiter
Dr. Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-
BSM) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).
Fleischfressende Pflanzen locken Insekten und andere Kleintiere an, fangen
und verdauen diese, um zusätzliche Nährstoffe aus dieser tierischen Beute
zu ziehen, die sie nicht aus den nährstoffarmen Böden bekommen in denen
sie wachsen. Damit haben fleischfressende Pflanzen als
Nährstoffspezialisten einen Weg gefunden in Lebensräumen zu wachsen, in
denen andere Pflanzen kaum existieren können. Viele der 860
fleischfressenden Pflanzenarten, die wir heute kennen, sind durch
Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung und Klimawandel bedroht. Um
wirksame Pläne zu ihrem Schutz zu entwickeln, ist es auch nötig ihre
Biologie zu kennen und zu verstehen, so auch ihr natürliches
Beutespektrum. Sehr oft findet man mehrere verschiedene fleischfressende
Pflanzen im selben Lebensraum zusammen, die vielleicht unterschiedliche
Beutetiere fangen, um Konkurrenz zu vermeiden. Die Beantwortung solcher
Fragen kann auch helfen, die Evolution und Artbildung bei
fleischfressenden Pflanzen besser zu verstehen.
Die Studie wurde unter anderem vom Bayerischen Staatsministerium für
Wissenschaft und Kunst aus Mitteln des Bayerischen Paktes für Forschung und Innovation (PFI) gefördert.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.snsb.de - Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
http://www.botanischestaatssammlung.de - Botanische Staatssammlung München (SNSB-BSM)
http://www.zsm.mwn.de - Zoologische Staatssammlunge München (SNSB-ZSM)
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
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