10.03.2022
Drucksensor aus Silizium-Carbid misst bei 600C
Er misst dort, wo es richtig heiß wird: Während übliche Sensoren bei einer
Umgebungstemperatur von 300 Grad Celsius den elektronischen Geist aufgeben,
entwickeln Forschende des Fraunhofer IZM einen zuverlässigen Sensor, der
auch bei doppelt so hohen Temperaturen sicher arbeitet.
Mittels präziser Ätzvorgänge machten sie Silizium-Carbid für den Aufbau eines robusten
Sensors nutzbar. Durch die Druckmessungen in extrem rauen Umgebungen
könnten beispielsweise Verbrennungsprozesse in Flugzeugturbinen
kontrolliert und damit der Kerosinverbrauch reduziert werden.
Der Traum vom Fliegen begleitet die Menschheit schon Jahrtausende lang:
Vom griechischen Ikarus-Mythos bis hin zu den Überlegungen Da Vincis wurde
die Phantasie schrittweise mit technischem Wissen angereichert. Seit der
Entwicklung der Turbinen-Stahltriebwerke Mitte des 20. Jahrhunderts sind
Objekte mit hoher Leistung und Schubkraft in der Luft. Die Funktionsweise:
Mittels einer Gasturbine und der Rückstoßwirkung des Luft- sowie
Abgasstroms wird hohe Schubkraft erzeugt und der Flugkörper angetrieben.
Was von außen nicht sichtbar ist: Durch die starke Kompression der
angesogenen Luft herrscht in der Flugzeugturbine enormer Druck und die
Temperaturen steigen schon beim Eintritt in die Brennkammer auf bis zu
600° C. Bei Raumfahrtapplikationen ist die Umgebung noch rauer. Um
Sicherheit in der Luft- und Raumfahrt zu gewährleisten und die
Verhältnisse während der Nutzung kontrollieren zu können, werden Sensoren
eingesetzt. Diese müssen jedoch speziellen Anforderungen entsprechen:
Zusätzlich zur Genauigkeit und Sensibilität müssen sie zuverlässig sein
und den extrem korrosiven Umgebungsbedingungen standhalten.
Forschende des Fraunhofer IZM im Norden Berlins haben es sich zur Aufgabe
gemacht, einen Hochtemperatur-Sensor zu entwickeln und aufzubauen, der
diesen Anforderungen entspricht: Dafür nutzen sie Silizium-Carbid (SiC).
Das Material stellt für den Aufbau von Drucksensoren vor allem
hinsichtlich der Robustheit einen technologischen Durchbruch dar. Die
Nutzung klassischer Silizium-Sensoren ist für Anwendungen dieser Art
unvorstellbar, denn diese geraten schon bei 150° C an ihre
Belastungsgrenze. Sensoren, die auf der sogenannten SOI-Technologie
(Silicon on Insulator) basieren, schneiden besser ab, jedoch beginnt auch
hier bei Temperaturen über 400° C in Kombination mit mechanischer
Belastung eine plastische Deformation, was die Messgenauigkeit ungünstig beeinflusst.
Die neue Generation der Hochtemperatur-Sensoren auf SiC aufzubauen, bietet
klare Vorteile: Das Material ist extrem robust, thermisch stabil und
reagiert kaum auf chemische Einflüsse. Zudem erlaubt die hohe Bandbreite
des Materials eine Nutzung bei Temperaturen bis zu 600° C. Bei diesen
mechanischen und chemischen Voraussetzungen, wurde es schon vor Jahren als
mögliches „Wundermaterial“ in der Mikroelektronik erkannt. Die bis dahin
bestehende Herausforderung lag besonders in der Bearbeitung des Materials:
„Silizium-Carbid ist Fluch und Segen zugleich: Die einzigartige Festigkeit
und Beständigkeit des Materials sind vielversprechend für elektronische
Komponenten. Genau diese Eigenschaften machen es aber auch extrem
schwierig, das SiC zu bearbeiten.“, so Wissenschaftler Piotr Mackowiak vom Fraunhofer IZM.
Hierfür hat die Forschungsgruppe um Mackowiak nun Lösungsansätze gefunden.
Ihre Herausforderung bestand darin, in einem Halbleiterprozess einen
winzigen stabilen Grundkörper auf einer dünnen Membran aufzubauen. Dafür
verwendeten sie einen zweifachen, äußerst schnellen Ätzprozess. Dieser
ätzt das Siliziumcarbid mit einer Geschwindigkeit von 4 Mikrometern pro
Minute auf, was dem 8-fachen der gängigen Raten entspricht und damit für
hochvolumige Fertigungsdurchsätze interessant ist. Das Endprodukt der
Fertigung zeichnet sich zudem durch eine außergewöhnliche Geometrie aus,
die zur Temperaturbeständigkeit beiträgt und ermöglicht, dass keine externe Kühlung des Sensors notwendig ist.
„Ziel war es, den Aufbau einerseits nur auf das Notwendigste zu
beschränken, so dass die Temperaturbeständigkeit sichergestellt wird,
andererseits das Material stellenweise so abzudünnen, dass es biegbar
wird, um Piezomessungen zu ermöglichen – beides ist uns mit dem
Tiefenätzen gelungen“, so Mackowiak. Bereits existierende Sensoren in
diesem Bereich arbeiten nach dem piezoelektrischen Messprinzip. Dies hat
den Nachteil, dass nur dynamische und keine statischen Drücke erfasst
werden können. Auch können die existierenden Sensoren sehr hohe
Temperaturen nicht dauerhaft aushalten. „Unsere Sensoren arbeiten
piezoresisitiv. Dies erlaubt das Messen von dynamischem und statischem
Druck. Unsere Sensoren können dauerhaft und bei noch höheren Temperaturen
betrieben werden.“ Zukünftige Projektpartner können nun den Sensor und das
Package erwerben oder sich an der Weiterentwicklung des Sensors mit
veränderten Parametern beteiligen.
Zuverlässige Hochtemperaturmessungen bis zu 600° C könnten zu mehr
Umweltverträglichkeit in der Luftfahrt beitragen. Auf der Basis der
Messungen der thermoakustischen Druckschwingungen und Prozessparameter in
der Turbine wird eine deutlich höhere Prozesskontrolle erzielt: Das
Verhältnis des Luft-Brennstoff-Gemischs könnte angepasst und die
Verbrennung optimiert werden. Dies würde zu einer Reduktion des
Kerosinverbrauchs führen.
Durch kleine Änderungen des Designs können die Messgrößen variiert werden,
wodurch der Sensor nicht nur für die Luft- und Raumfahrt, sondern
perspektivisch auch im Bereich der E-Mobilität oder für Messungen bei
Tiefenbohrungen einsetzbar wird.
https://www.izm.fraunhofer.de/de/de/news_events/tech_news/drucksensor-koennte-das-fliegen-umweltvertraeglicher-machen.html
Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM
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