13.04.2021

Suez-Kanal – Nadelöhr ohne Bypass?

Hamburg. Der Suez-Kanal ist weit weg und liegt normalerweise nicht im Fokus der Berichterstattung in Deutschland. Dies hat sich durch die zum Glück nur sehr kurzfristige Blockade des Schiffes -Ever Given- in den letzten Tagen etwas verändert, wird aber wohl spätestens nach dem Abbau des Staus der Schiffe vor dem Kanal in ein oder zwei Wochen wieder vorbei sein.

Dabei ist es seit langem bekannt, dass der ägyptische Suez-Kanal ein echtes Nadelöhr für den deutschen Außenhandel ist. Der mit Abstand größte Teil der deutschen Im- und Exporte mit Asien durchfahren den Suez-Kanal, und das auch mit immer größer werdenden Containerschiffen. Relativ gesehen wird es somit zunehmend enger auf der zwar immer wieder einmal angepassten, aber nach wie vor sehr engen Passage vom Roten ins Mittelmeer. Auch für die Mineralölversorgung (Stichwort: Benzin) sowie für andere Massengüter ist der Kanal von hoher Bedeutung.
 
Im Vor-Corona-Jahr 2019 summierte sich der deutsche Außenhandel auf einen Wert von 2,4 Mrd. Euro. Allein der Handel mit den entfernten Ländern Asiens einschließlich Australien belief sich darunter auf 232 Mio. Euro, was immerhin knapp 10% ausmacht und somit einen erheblichen Anteil darstellt. Und dieser Anteil ist abhängig vom Suez-Kanal; insofern betrifft eine Blockade im Kanal direkt die deutsche Wirtschaft. Im Hamburger Hafen betrug der Anteil der Container im Verkehr mit Asien im Jahr 2019 über 50%, was die besondere Bedeutung insbesondere vom stärksten Handelspartner China im Seeverkehr beeindruckend erklärt.
 
Bleibt die Frage nach der Alternative, bzw. einem Bypass, um im Falle eines ernsthaften Schiffsunglücks im Suez-Kanal mit womöglich wochen- oder monatelanger Blockade nicht schwere wirtschaftliche Schäden für die gesamte Bundesrepublik zu verursachen. Um es hier gleich vorweg ganz klar zu sagen: eine immer einmal wieder zu hörende Politik mit dem Wunsch einer übermäßig starken heimischen Produktion kann nicht die Lösung sein. Populistische Parolen aus dem Ausland wie „Buy British!“ oder „Buy American“ können nicht das Ziel sein! Verbleibt in einer globalisierten Welt also nur die Nutzung alternativer Verkehrsträger, oder aber die Eröffnung leistungsstarker „Bypässe“ im Seeverkehr, um bei diesem Bild zu bleiben.
 
Alternative Verkehrsträger wären das Flugzeug, der LKW, die Bahn, oder aber Kombinationen hiervon; sog. gebrochene Verkehre. Das Flugzeug fällt aufgrund der geringen Massenleistungsfähigkeit, der schlechten Umweltbilanz und der hohen Kosten sofort durch das Raster. Ebenso schlecht sieht es für LKW-Verkehre Europa – Asien aus. Die Kosten- und Umweltbilanz bspw. einer riesigen Flotte von LKW´s zwischen zum Beispiel Berlin und Peking mag man sich gar nicht vorzustellen.
 
Verbleibt also als Verkehrsträgeroption nur die Bahn. Und hier hat sich in den letzten Jahren tatsächlich etwas bewegt; Stichwort: Neue Seidenstraße. Auf Initiative von China, denen es speziell um die Entwicklung der westlichen Landesteile geht, wurden Eisenbahnkorridore in Richtung Kasachstan, und weiter durch Russland bis nach Deutschland hin entwickelt. In Deutschland hat sich der Hafen Duisburg als Endbahnhof etabliert, und inzwischen fahren bis zu 60 Züge pro Woche zwischen China und Deutschland. Hier muss allerdings gesagt werden, dass diese Züge wegen der unterschiedlichen Spurweite auf der Strecke zweimal umgespurt bzw. umgesetzt werden müssen, was einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand bedeutet. Solange diese Strecke als echte Option zur Suez-Route politisch unterstützt, d.h. subventioniert wird, ist es eine Alternative, die – wenn es denn einmal klappt – auch durchaus schneller als der Seeverkehr sein kann. In der Realität sind lange Standzeiten der Züge mit all den verbundenen Risiken (Stichwort: Ladungsdiebstahl) aber die Realität.
 
Eine kleine Rechnung zeigt auf, wie es um die (geringe) Leistungsfähigkeit auf der Neuen Seidenstraße bestellt ist: selbst bei max. 60 Zügen pro Woche, und unrealistisch hoher Zahl von 100 TEU pro Zug, beträgt die durchgesetzte Menge gerade einmal 60 * 100 * 52 Wochen = 312.000 TEU pro Jahr. Dies ist eine im Vergleich zum Seeverkehr verschwindend kleine Menge, die zwar eine schöne, weil politisch subventionierte Option darstellt, aber keinen leistungsfähigen Bypass. Und große Wachstumsraten gemäß dem Wunsch „… wir fangen ja gerade erst an…“ sind nicht in Sicht, da die Güterzüge in Konkurrenz zu den bestehenden Verkehren auf den Gleisen stehen. Und wenn denn einmal Preise zu echten Gestehungskosten zu zahlen wären, dann muss man schon sehr scharf rechnen, um hier noch einen Vorteil zu sehen. Von politischer „Erpressbarkeit“ bei Durchfahrten auf der Strecke einmal ganz abgesehen.
 
Verbleibt als echte Chance nur der Seeverkehr auf alternativen Wegen. Hier bietet sich natürlich der Weg um Südafrika herum an, der zwar – je nach Schiffstyp und Route – zehn bis zwölf Tage länger ist, der aber dadurch eben auch die Fahrt durch das Piratengebiet nördlich von Somalia im Golf von Aden vermeiden würde. Ein Schiff von bspw. Shanghai nach Nordeuropa wäre dann nicht mehr nur ca. 35 Tage unterwegs, sondern rund 45 Tage. Da auch der Suez-Kanal für ein großes Containerschiff 300 bis 400.000 Dollar kosten kann, sind die Mehrkosten für die Fahrt um Südafrika nicht das wirkliche Problem; schon aber die lange Dauer und damit die Notwendigkeit ggf. mehr Schiffe vorhalten zu müssen. Diese Route ist somit eine echte, wenngleich unschöne Option.
 
Innovative Häfen wie Bremen, die sich auf Island eine Hafenfläche gesichert haben und dort einen neuen Hafen aufbauen, zeigen jedoch eine weitere Option auf: die zukünftig verstärkte Nutzung der Polarroute. D.h. die Fahrt von China aus nicht südwärts bis zum Äquator und an Singapur vorbei nach Europa, sondern nordwärts entlang der russischen Küste bis nach Nord-Norwegen und eben weiter bis nach Island. Die Tatsache, dass das Polareis schmilzt ist ein Umstand, den man nicht freudig begrüßen muss. Die sich dann ergebenden Optionen wie die Nordpassage nicht zu nutzen, ist aber auch nicht der richtige Weg. Und wenn bedacht wird, dass diese Route schon heute 30% bis 50% kürzer ist als die Verbindung durch den Suez- Kanal, dann ergeben sich im Sinne der Ressourceneinsparung beim Schiffsantrieb echte Alternativen. Bremen als einziger deutscher Hafen hat diese Chancen erkannt und handelt aktiv in diese Richtung.
 
Es gibt mit der Neuen Seidenstraße, der Südafrikaroute und der Nordpassage also echte Bypässe für den Suez-Kanal. Es ist jetzt die Aufgabe innovativer Logistiker, hier die hinsichtlich Umweltverträglichkeit und Kosten besten Lösungen zu etablieren und hinsichtlich der Massenleistungsfähigkeit auszubauen.
 
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.nbs.de/die-nbs/aktuelles/news/details/news/suez-kanal-nadeloehr-ohne-bypass/
 

Northern Business School

.