18.02.2021
Diskurs Wasserstoff: Mythos oder Segen?
Wasserstoff kann zum Wegbereiter der Energiewende werden. Besonders in der Verkehrsindustrie wird über Technologien diskutiert, um künftig Verkehrsmittel wie Lastkraftwagen, Schiffe oder Züge klimaneutral zu bewegen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Elektromobilität mit Wasserstoff und Brennstoffzellen ist lautlos und ermöglicht emissionsfreies Fahren mit großen Reichweiten und schneller Betankung.
Wenn es aber so einfach wäre, würden wir alle schon lange nicht mehr
Diesel und Benzin tanken. Unser Experte Dr. Stefan Wagner, der schon vor
vielen Jahren an der Brennstoffstelle forschte, erklärt, was das Supergas
alles kann und wie elektronische Systeme sicher betrieben werden können.
Von Handys und Kameras über die mobile Energieversorgung fürs Militär bis
hin zu Wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen oder statischen Outdoor-
Wetterstationen – es wurden schon viele elektronische Anwendungen der
Brennstoffzelle erforscht und ausprobiert. Am Markt durchgesetzt, haben
sich bisher hingegen wenige, denn Energiesysteme auf Basis von Wasserstoff
sind immer noch zu teuer für die Endverbraucher und die Betriebsführung
der Vehicle, technischen Geräte und anderer Leistungselektronik ist noch
immer nicht vollständig zuverlässig. Der Druck zum Einsatz von
Wasserstofftechnologien wächst aber auch seitens der Politik, dass die
Energie der Zukunft nicht mehr nur noch günstig und langlebig sein soll,
sondern vor allem umweltfreundlich. Unser Experte am Fraunhofer-Institut
für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin, Dr. Stefan Wagner,
der schon seine Dissertation zur Brennstoffzelle verfasste, beantwortet
uns die wichtigsten Fragen.
Brennstoffzelle und Batterie – Rivalen oder Teamplayer?
S. Wagner: "Es macht definitiv Sinn beides zu kombinieren, denn einen
reinen Wasserstoffantrieb, bei dem keine Batterie im System integriert
ist, gibt es kaum, da die Brennstoffzelle immer einen Akku braucht, aus
dem die Initiierungsenergie kommt. Dieser Akku könnte jedoch definitiv
kleiner werden, als aktuell verwendet und damit das Gewicht im Automobil
reduzieren. Aktuell wiegen Wasserstoffantriebe aufgrund der massiven
Systemtechnik mehrere hundert Kilogramm. Hier muss es zu einer
Gewichtsreduktion kommen, um eine sichere und zuverlässige Betriebsführung
von mobilen Anwendungen wie Automobilen zu garantieren. Als Experten für
Miniaturisierung und zuverlässige Systemtechnik können wir am Fraunhofer
IZM Sensor- und Aktuatorikherstellern bei der Verkleinerung der
Einzelteile unterstützen und durch beispielsweise intelligente
Drucksensoren, Messmethoden, innovativere Aktuatorik die Betriebsfähigkeit
und Langlebigkeit der Systeme zu erhöhen."
EU-Klimaziele: Mit Wasserstoff zur CO2-Neutralität bis 2050?
Laut unserem Forscher ist das technisch auf jeden Fall umsetzbar, wenn nur
der Ansatz der CO2-Neutralität an erster Stelle steht und individuelle
Profitmaximierung der Beteiligten in den Hintergrund rückt. Trotz vieler
Förderungsmaßnahmen der Politik, Bestrebungen aus der Industrie ebenso wie
schon über 150 Jahre themenbezogener Forschung, rückten
Wasserstofftechnologien immer wieder in den Hintergrund, da günstigere
Alternativen, wie beispielsweise die Batterie, auf den Markt kamen. Um
diese zyklische Entwicklung der Forschung aufzugreifen, muss es
ausschließlich darum gehen, die technischen Voraussetzungen für den
Umstieg auf Wasserstoffgetriebene Energie umzusetzen. Dr. Wagner sagt
dazu: „Wir sind besonders froh, dass auch die Fraunhofer-Gesellschaft nun
verstärkt auf den Wasserstoff gekommen ist und wir uns wieder mehr mit der
Weiterentwicklung der Nutzung des Gases und seiner Einsatzmöglichkeiten
beschäftigen können. Im Moment kranken die Systeme in der Brennstoffzelle
daran, dass sie sehr teuer, aber noch nicht lange genug und sicher und
robust laufen sollen. Die aktive Sensorik und Aktuatorik sind im System
aktuell eher örtlich weit voneinander entfernt. Ortsnahe Sensorik am Stack
könnte dabei helfen eine bessere Betriebsfähigkeit bzw. Zuverlässigkeit
und Langlebigkeit der Systeme zu erhöhen.“
Gibt es kostengünstigere, emissionslose Energiekonzepte als H2?
Dr. Wagner erklärt, dass man durch die extrem niedrige Temperatur des
flüssigen Wasserstoffs zwar eine hohe Speicherdichte erreicht, aber auch
einen hohen Aufwand hat, um das System betriebsfähig und die niedrigen
Temperaturen aufrecht zu erhalten. Die druckbehaftete Speicherung von
Wasserstoff stellt hierbei einen ersten zielführenden Zwischenschritt dar,
um erste nachhaltige Erfolge bezüglich einer ersten Etablierung von
Wasserstoffanwendungen zu erreichen. Neben den finanziellen Aspekten, ist
dies besonders schwer steuerbar im Vergleich zu fossilen Kraftwerken, die
mit Kohle oder Erdgas betrieben werden und bei mehr Energiebedarf einfach
mehr von dem fossilen Brennstoff hinzugefügt werden kann. Auch Wind und
Photovoltaik sind nur eingeschränkt steuerbar, denn die Kraft des Windes
ist schwer vorauszusehen und stark von der Vegetation abhängig, gleiches
gilt für die Photovoltaik, also durch Sonnenlicht erzeugte Energie. Um
nicht energetisch unterversorgt zu sein, empfiehlt es sich auf größere
Flächen zu setzen und bei einer Überproduktion die Elektrolyse und das
Wasserstoff einzubeziehen. Aus den unterschiedlichen Möglichkeiten
empfiehlt Dr. Stefan Wagner die Energieversorgung als Mixkonzept zu
verstehen und aufzubauen, bei dem Teillasten aus Wind und Photovoltaik und
Spitzenlasten aus der Elektrolyse und Brennstoffzellen gewonnen werden, um
jeweils die höchstmöglichen Wirkungsgrade nutzen zu können.
Perspektiven für Forschung und Anwendung
Als Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration ist es am Fraunhofer
IZM besonders wichtig, dass die Komponenten in den einzelnen
Verkehrsmitteln oder der alltäglichen Energieerzeugung sicher, zuverlässig
und miniaturisiert sowie für die Menschen bezahlbar sind. Daher möchten
Dr. Wagner und seine Kolleginnen und Kollegen genau an dieser Stelle
Projektpartner finden, um die Energieumwandlung von Gas zu Leistung (im
Fachjargon Gas to Power) zu revolutionieren. Sie können dabei in der
Entwicklung zuverlässiger und robuster Sensorik und Aktuatorik für den
Gaspfad unterstützen, beispielsweise mit der Unterstützung bei der
Entwicklung von Wasserstoff-, Feuchte- oder Drucksensoren, aber auch
Sensornetzwerken und Druckminderern, und bei der Zuverlässigkeitsbewertung
und Entwicklung von Steuer- und Leistungselektronik mit Hinblick u.a. EX-
Schutz. Abschließend bieten Sie auch Zuverlässigkeits-und Robustheits-
Analysen von Steuerelektronik und Brennstoffzellen-Komponenten unter
Wasserstoff-spezifischen Randbedingungen und spezifischen Mission Profiles
für den Kunden an, um somit von der integrierten Sensorik und verbesserten
Systemdesigns bis hin zu den Tests in der Anwendung die gesamte
Wirkungskette nachzuvollziehen.
Wenn also auch noch viel zu tun ist, bleibt der Wunsch bestehen, dass
durch Wasserstoff der Eintritt in die emissionsfreie Energiegewinnung
gewährleistet wird. Dr. Stefan Wagner begann seine Forschung vor 20 Jahren
an Brennstoffzellen. Zu Beginn seiner Forschungsarbeiten wollte er die
Brennstoffzelle als Game-Changer für die Energieversorgung für
miniaturisierte Anwendungen revolutionieren. Aus seiner Sicht ist es
mittlerweile aber unabdingbar, die Energiegewinnung mittels
Windkraftanlagen durch den Einsatz von Wasserstoff zu ergänzen, um
langfristigere Speicherung der Energie zu gewähren.
Originalpublikation:
https://www.izm.fraunhofer.de/de/news_events/tech_news/diskurs-wasserstoff--mythos-oder-segen.html
Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM
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