11.02.2021
Wasserabweisend und mehr: Textilien mit Chitosan nachhaltig beschichten
Textilien können mit dem Biopolymer Chitosan beschichtet und so durch
Anbindung hydrophober Moleküle wasserabweisend ausgerüstet werden. Das
Gute daran ist, dass dadurch auch toxische und erdölbasierte Stoffe
ersetzt werden können, die man aktuell für die Textilveredlung verwendet.
Wie dies funktionieren kann, hat das Fraunhofer IGB mit Partnern im
Projekt HydroFichi in den letzten Jahren erforscht: Entwickelt wurde eine
Technologie, um Fasern mithilfe biotechnologischer Prozesse und Chitosan
mit gewünschten Eigenschaften versehen zu können.
Die Herstellung von Textilien ist dieser Tage noch stark chemisch geprägt:
Biotechnologische Verfahren, Enzyme und nachwachsende Rohstoffe spielen
bislang eine eher untergeordnete Rolle. Beispielsweise kommen bei der
Ausrüstung von Textilien mit wasser- und ölabweisenden Eigenschaften
aktuell vor allem perfluorierte Chemikalien zum Einsatz. Diese sind
gesundheitsschädlich und zudem kaum abbaubar, weshalb sie lange Zeit in
der Umwelt verbleiben.
Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
forscht schon seit einiger Zeit an nachhaltigen biobasierten Alternativen:
Im Projekt HydroFichi – kurz für: Hydrophobic Finishing with Chitosan –,
das Ende Januar 2021 abgeschlossen wurde, haben Forschende des Instituts
eine Möglichkeit entwickelt, um Chitosan aus Abfallströmen produzieren zu
können und das Biopolymer nicht nur als Schlichtemittel bei der
Verarbeitung von Garnen, sondern oder auch zur Funktionalisierung von
Textilien bei der Veredlung einzusetzen.
Chitosan aus Abfällen für Umweltschutz, Medizin oder Textilien
Chitosan ist ein nachwachsender Rohstoff, der sich von Chitin ableitet –
dem nach Cellulose zweithäufigsten in der Natur vorkommenden Biopolymer.
Quellen für das stickstoffhaltige Polysaccharid können Krabbenschalen aus
Fischereiabfällen, Insektenhäute und -panzer, die beispielsweise bei der
Herstellung von Tierfutter anfallen, oder auch – als vegane Variante – die
Zellwände von Pilzen sein. Die Struktur der beiden Moleküle ist sehr
ähnlich; einziger Unterschied ist eine Acetylgruppe, die bei der
Umwandlung zu Chitosan entfernt wird. Chitin ist unlöslich in Wasser und
den meisten organischen Lösemitteln. Chitosan ist ebenfalls schwer löslich
– durch Zugabe milder Säuren kann das Biopolymer jedoch in Wasser gelöst
und damit als Textilhilfsmittel eingesetzt werden.
Um Chitosan aus dem jeweiligen Abfallstrom zu isolieren, muss zunächst
Chitin aus den Ausgangsstoffen durch Demineralisierung und
Deproteinisierung und anschließend sein Derivat Chitosan gewonnen werden.
Dabei können die Eigenschaften von Chitosan durch die Wahl der jeweiligen
Konditionen individuell angepasst werden. Das so produzierte Biomolekül
kann dann direkt den verschiedensten praktischen Anwendungen eingesetzt
werden – beispielsweise als Flockungshilfsmittel in der Abwasserbehandlung
oder als Wirkstoffträger in der Medizin.
Auch in der Textilindustrie gibt es zahlreiche denkbare
Einsatzmöglichkeiten für Chitosan. Beim Schlichten beispielsweise
überzeugte die Effizienz des Naturstoffs in Technikumsversuchen der
Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF)
bereits: Hier zeigte sich die Wirksamkeit in einer wesentlich geringeren
Rauigkeit der Garne nach dem Weben zu textilem Gewebe. Dabei waren die
erzielten Werte mit Chitosan aus Insekten vergleichbar mit denen aus
kommerziellen Krabbenschalen. Diese Tatsache ermöglicht zukünftig ganz
neue Möglichkeiten der Gewinnung im Sinne der Bioökonomie.
Chitosan als nachwachsender Rohstoff ersetzt fossile Chemikalien
»Unser Anliegen im Projekt HydroFichi war es, der Textilindustrie einen
Rohstoff für verschiedenste Anwendungen zur Verfügung zu stellen, der
einerseits aus nachwachsenden Edukten gewonnen werden kann, aber auch
Chemikalien vermeidet, die die Umwelt und Gesundheit schädigen«, erklärt
Projektleiter Dr. Achim Weber, stellvertretender Leiter des
Innovationsfelds Funktionale Oberflächen und Materialien am IGB. »Neben
einer einfachen Beschichtung mit Chitosan, bei der die Fasern geschützt
werden, konnten wir die Substanz auch als Ankermolekül nutzen, um
Vernetzungspunkte für verschiedenste funktionelle Gruppen zu schaffen und
damit Textilien ganz gezielt mit bestimmten Eigenschaften zu versehen, zum
Beispiel wasserabweisend zu machen. Chitosan kann also gleichzeitig als
Matrixmaterial oder Templat fungieren – und dies bei den
unterschiedlichsten Fasermaterialien.«
Bewertet wurden die Veredlungen mittels standardisierter Tests, aber auch
mit eigens dafür entworfenen Testständen und Methoden. Hier zeigten
beispielsweise Messungen auf behandelten Textilien Kontaktwinkel von über
140°. Dies bedeutet eine sehr gute Wasserabweisung der Stoffe und
bestätigt die erfolgreiche Bearbeitung der Textilien. In einem nächsten
Schritt soll die am IGB entwickelte Technologie vom Labormaßstab auf den
wesentlich größeren Pilotmaßstab übertragen werden, um das nachhaltige
Biomolekül möglichst schnell in die Marktreife überführen zu können,
beispielsweise für den Einsatz im Sport- und Outdoorbereich.
Erstmals biotechnologische Prozesse in der Textilveredlung
Im Projekt konnten die IGB-Wissenschaftler gemeinsam mit vier Partnern aus
der Textilindustrie – die Deutschen Institute für Textil- und
Faserforschung Denkendorf (DITF), J.G. Knopf´s Sohn, Helmbrechts, und der
Textilchemie Dr. Petry, Reutlingen – erstmals biotechnologische Prozesse
in der Rohstoffgewinnung und Veredlung etablieren, die sich als kompatibel
mit allen Textilprozessen erwiesen. Dies ist bislang ein
Alleinstellungsmerkmal in der Veredlung von Textilien. »Wir alle haben das
große Potenzial von Chitosan zur effizienten Hydrophobierung und als
Funktionsträger erkannt und konnten dank der guten Zusammenarbeit
Techniken für eine maßgeschneiderte Funktionalisierung von Textilien
erfolgreich etablieren«, ergänzt Dr. Thomas Hahn, der im Innovationsfeld
Industrielle Biotechnologie am IGB forscht. »Darüber hinaus sind weitere
Einsatzgebiete des Biopolymers vielversprechend. Deshalb haben wir sofort
im Anschluss an HydroFichi das Folgeprojekt ExpandChi initiiert, in dem
gemeinsam mit den Partnern Techniken entwickelt werden sollen, um
biobasiertes Chitosan als Funktionsträger zum Ersatz weiterer
synthetischer Polymere zu verwenden, beispielsweise für eine spezielle
Anti-Falten- oder eine flammenhemmende Beschichtung. Die Textilindustrie
ist sehr daran interessiert, dass ein solch nachhaltiges Biomolekül
möglichst schnell eingesetzt wird.«
Das Projekt »HydroFichi« wurde vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) unter Förderkennzeichen 031B0341A, das Folgeprojekt
»ExpandChi«, das im Februar 2021 begonnen hat, wird unter
Förderkennzeichen 031B1047A gefördert.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.igb.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/hydrofichi.html
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
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