19.09.2020
Die wahren Kosten von Lebensmitteln
Was kosten uns Lebensmittel wirklich? Dieser Frage sind Forschende der Universität Greifswald und der Universität Augsburg in einem Praxisprojekt mit der PENNY Markt GmbH nachgegangen. Für dieses haben die Wissenschaftler*innen die ökologischen Folgekosten verschiedener
Lebensmittel berechnet. Das Projekt soll den großen Unterschied des Verkaufspreises von Lebensmitteln und deren wirklichen Wert darlegen. Vor allem tierische Produkte schneiden nach den Berechnungen schlecht ab.
Für die Berechnung werden die Faktoren der Treibhausgasemissionen, der
reaktiven Stickstoffemissionen, des Energieverbrauchs und der
Landnutzungsänderungen, verursacht durch biologische und konventionelle
Lebensmittelerzeugung, bepreist. Errechnet werden also die wahren Preise
von Lebensmitteln, die nicht nur die Produktionskosten, sondern auch
ökologische und soziale Folgekosten, welche während der
landwirtschaftlichen Produktion anfallen, abdecken. Diese Kosten werden
derzeit indirekt von der Gesamtgesellschaft gezahlt – etwa durch hohe
Wasserrechnungen aufgrund erhöhter Nitratgehalte im Grundwasser – nicht
aber vom Verursacher des Schadens direkt. Dies hat zur Ursache, dass
Marktfehler die Konsument*innen dazu verleiten, sehr günstige, nicht
nachhaltige Lebensmittel zu kaufen. Eine verursachergerechte
Internalisierung von Folgekosten hätte also zur Folge, dass sich
Marktpreise korrigieren und sich so das Kaufverhalten entsprechend der Nachhaltigkeit anpassen würde.
Die Untersuchungen zeigen teilweise sehr große Preisdifferenzen zwischen
den aktuellen Marktpreisen und den wahren Kosten, vor allem bei tierischen
Lebensmitteln. Konventionell produziertes gemischtes Hackfleisch müsste
demnach circa dreimal so teuer sein, würde es auch für die Auswirkungen
für die bei der Produktion entstehenden Treibhausgase,
Landnutzungsänderungen, reaktiven Stickstoffe und Energieverbrauch
aufkommen. Biologisch produzierte pflanzliche Lebensmittel hingegen sind
derzeit schon verhältnismäßig sinnvoll bepreist: die nötigen
Preisaufschläge liegen zwischen 4% (Apfel) und 9% (Banane).
Preisaufschläge (jeweils in %):
Apfel: konventionell 8%, bio 4%
Banane: konventionell 19%, bio 9%
Kartoffel: konventionell 12%, bio 6%
Tomate: konventionell 12%, bio 5%
Mozzarella: konventionell 52%, bio 30%
Gouda: konventionell 88%, bio 33%
Milch: konventionell 122%, bio 69%
Fleisch (gemischt): konventionell 173%, bio 126%
Die hohen Kosten tierischer Lebensmittel können vor allem durch die
ressourcenintensive Aufzucht und Fütterung der Tiere erklärt werden. Für
die Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln fallen beispielsweise keine
Emissionen durch die Verdauung der Tiere an, sowie Energieverbrauch
während der Beheizung und Belüftung von Ställen.
Der Unterschied zwischen konventionellen und biologischen Preisaufschlägen
ist vor allem durch die natürlicheren Produktionspraktiken im biologischen
Landbau zu erklären: synthetische Stickstoffdünger, oder importierte
Futtermittel beispielsweise, sind hier verboten oder nur sehr beschränkt
zugelassen, was sich positiv auf die Ökobilanz dieser Produkte auswirkt.
Die Wissenschaftler*innen konnten die Methodik und Ergebnisse des Projekts
unter anderem innerhalb eines Expertenworkshops zum Thema „True Cost
Accounting“ in der niederländischen Botschaft diskutieren. So erhoffen sie
sich aus dem Praxisprojekt mit PENNY und den weiteren Forschungen die
gesellschaftliche Diskussion voranzutreiben und auch mit politischen
Entscheidungsträger*innen über mögliche Maßnahmen der Internalisierung ökologischer Folgekosten zu diskutieren.
Weitere Informationen:
Das Praxisprojekt ist eingebunden in das Drittmittelprojekt „How much is
the dish? – Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität durch true cost
accouting bei Lebensmitteln“ (HoMaBiLe). HoMaBiLe wird unterstützt durch
das Bundesministerium für Bildung und Forschung und wird, zunächst bis
September 2021, ebenfalls am Lehrstuhl für Nachhaltigkeitswissenschaft und
angewandte Geographie der Universität Greifswald bearbeitet.
Lehrstuhl für Nachhaltigkeitswissenschaft und angewandte Geographie der Universität Greifswald:
http://geo.uni-greifswald.de/lehrstuehle/geographie/nachhaltigkeitswissenschaft-und-angewandte-geographie/
Universität Greifswald
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