08.07.2020
Buchweizen punktet als Trendlebensmittel und Insektenweide
Einst galt er als „Arme-Leute-Essen“, heute ist Buchweizen ein hippes,
trendiges Lebensmittel, das mehr und mehr Anhänger findet. Doch auch aus
ökologischer Sicht ist Buchweizen interessant, denn er gilt als ideale
Insektenweide zu einem Zeitpunkt, wenn die meisten anderen Ackerpflanzen
schon verblüht sind.
Welche Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen
Anbau erfüllt sein müssen und welche Auswirkungen dieser auf die
Biodiversität hat, untersucht jetzt ein vom Ministerium für Ländlichen
Raum und Verbraucherschutz (MLR) gefördertes Projekt an der Universität
Hohenheim in Stuttgart. Projektpartner sind apl. Prof. Simone Graeff-
Hönninger von der Arbeitsgruppe Anbausysteme und Modellierung und apl.
Prof. Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt. Begleitet wird
das Projekt außerdem von Dr. Klaus Wallner von der Landesanstalt für
Bienenkunde und Claus-Peter Hutter, Leiter der Umweltakademie Baden-
Württemberg. Medienvertreter sind ‒ nach Terminabsprache ‒ herzlich
eingeladen, sich vor Ort selbst ein Bild von dem Versuch zu machen.
„Buchweizen zählt zu den vielversprechenden Pflanzenarten, die für einen
Anbau in Südwestdeutschland geeignet sein könnten“, meint apl. Prof. S.
Graeff-Hönninger. „Die Pflanze stellt wenig Ansprüche an den Boden und
kann wegen ihrer kurzen Vegetationszeit und eines potenziell möglichen
späten Saattermins als Zweitkultur angebaut werden.“
Sein Name kann jedoch leicht in die Irre führen, denn Buchweizen ist gar
kein Getreide, sondern gehört zu den so genannten „Pseudogetreiden“. So
werden Körnerfrüchte bezeichnet, die ähnlich wie Getreide verwendet werden
können, aber nicht von Süßgräsern wie die herkömmlichen Getreidearten
Weizen, Gerste etc. abstammen. Buchweizen ist ein Knöterichgewächs und
bildet kleine dreikantige Früchte aus, die an Bucheckern erinnern und ihm
zu seinem Namen verholfen haben.
Bis ins 19. Jahrhundert war Buchweizen bei uns weit verbreitet und zählte
zu den Grundnahrungsmitteln. Doch im Zuge der zunehmenden Intensivierung
der Landwirtschaft nahm seine Anbauwürdigkeit immer mehr ab. Der Anbau
rentierte sich für den Landwirt nicht mehr, denn der Ernteertrag ist
relativ gering: „Pro Hektar werden etwa 20-25 dt/ha geerntet, also im
Schnitt halb so viel wie bei einem Sommerweizen“, ergänzt Graeff-
Hönninger.
Als Insektenweide fördert Buchweizen die Artenvielfalt
„Dabei kann Buchweizen einen wichtigen Beitrag für den Erhalt der
Artenvielfalt leisten“, so Claus-Peter Hutter von der Umweltakademie
Stuttgart. „Er blüht relativ spät und lang ab Mitte Juni bis weit in den
Juli und ist deswegen für Insekten eine Nahrungsquelle zu einem Zeitpunkt,
zu dem die meisten anderen Kulturarten schon verblüht sind.“ So wird die
Vielfalt von nützlichen Insekten in der Landwirtschaft deutlich erhöht:
Verschiedene Studien zeigen, dass auf Buchweizenfeldern insgesamt bis zu
60 verschiedene Arten aus 16 Insektenfamilien beobachtet werden können.
Trotz dieser Erkenntnisse ist die landwirtschaftliche Nutzung in
Deutschland sehr gering. Im Laufe der Zeit ist viel Wissen verloren
gegangen, angefangen bei der Auswahl geeigneter Sorten über die Düngung
bis hin zur Ernte. Diese Wissenslücken wollen apl. Prof. Dr. Friedrich
Longin und apl. Prof. Simone Graeff-Hönninger nun auffüllen.
Gleichzeitig soll regelmäßig beobachtet werden, wie viele und welche
Insektenarten die Buchweizenblüten besuchen. „Wenn es gelingt, dass
Buchweizen in Zukunft wieder mehr angebaut wird, dann trägt das auch dazu
bei, die Biodiversität in der Agrarlandschaft zu erhöhen und die
Nahrungsversorgung der Insekten gerade im Sommer zu verbessern“, meint Dr.
Klaus Wallner von der Landesanstalt für Bienenkunde. “Und ein toller
Sortenhonig springt dabei auch heraus.“
Projekt will Grundlagen für rentable landwirtschaftliche Nutzung von
Buchweizen schaffen
In ihrem Forschungsprojekt möchten sie deshalb ein Anbausystem für
Buchweizen entwickeln. Dazu werden die Auswirkungen verschiedener
Aussaattermine und Stickstoffdüngungsstufen auf Ertrag,
Bestandsentwicklung, Blühdauer, Standfestigkeit sowie auf
Qualitätsmerkmale wie Kornform und -größe sowie wertgebende Inhaltsstoffe
erfasst. Die Buchweizenproben werden anschließend vermahlen und das Mehl
der Bäckerfachschule Stuttgart für entsprechende Backversuche zur
Verfügung gestellt.
Wichtig für einen rentablen Anbau ist auch die richtige Sortenwahl, denn
hier gibt es beim Buchweizen große Unterschiede. „So existieren z. B.
Sorten, die immer weiter wachsen und neue Blüten bilden“, erklärt apl.
Prof. F. Longin. „Entsprechend werden auch ihre Früchte unterschiedlich
reif, was sie für die landwirtschaftliche Nutzung kompliziert macht, weil
es keinen optimalen Erntezeitpunkt gibt. Ideal sind Sorten, bei denen alle
Blüten gleichzeitig blühen und somit auch die Früchte gleichzeitig reif
sind.“ Ziel ist die Züchtung von Sorten, die an die klimatischen
Bedingungen von Süddeutschland angepasst sind und hohe Erträge bringen.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es für den Landwirt durchaus
interessant sein kann, Buchweizen als Zweitkultur anzubauen. Er stellt
zwar wenig Ansprüche an den Boden, ist jedoch sehr kälteempfindlich.
„Eine Aussaat im Juni, wenn die ersten Kulturarten abgeerntet sind, könnte
ideal sein. Buchweizen hat eine kurze Vegetationsdauer, so dass er bereits
im September geerntet und anschließend der Acker wieder für Aussaat von
Winterkulturen genutzt werden kann“, erläutert Graeff-Hönninger. „Der
Landwirt kann so ein und dasselbe Feld mit zwei Kulturen innerhalb eines
Jahres bewirtschaften und muss nicht alleine vom Buchweizenertrag leben“.
„Wir untersuchen deswegen, inwieweit eine spätere Aussaat, also Mitte Juni
im Vergleich zu Mitte Mai, zu Ertragsverlusten und Reifeverzögerungen im
September führt“, ergänzt Longin. Und C.-P. Hutter schwärmt: “Dieses
Projekt kann als Modellprojekt gesehen werden, wie wir neue Wege des
Kulturlandschafts-Management angehen und vermitteln wollen.“
HINTERGRUND: Wissenschaftsjahr 2020 Bioökonomie
2020 steht das Wissenschaftsjahr im Zeichen der Bioökonomie – und damit
einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise. Es geht darum,
natürliche Stoffe und Ressourcen nachhaltig und innovativ zu produzieren
und zu nutzen und so fossile und mineralische Rohstoffe zu ersetzen,
Produkte umweltverträglicher herzustellen und biologische Ressourcen zu
schonen. Das ist in Zeiten des Klimawandels, einer wachsenden
Weltbevölkerung und eines drastischen Artenrückgangs mehr denn je
notwendig. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
ausgerichtete Wissenschaftsjahr Bioökonomie rückt das Thema ins
Rampenlicht.
Die Bioökonomie ist das Leitthema der Universität Hohenheim in Forschung
und Lehre. Sie verbindet die agrarwissenschaftliche, die
naturwissenschaftliche sowie die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche
Fakultät. Im Wissenschaftsjahr Bioökonomie informiert die Universität
Hohenheim in zahlreichen Veranstaltungen Fachwelt und Öffentlichkeit zum Thema.
Weitere Informationen
https://biooekonomie.uni-hohenheim.de/
Universität Hohenheim
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