13.12.2019
Pflanzenforscher untersuchen Brot-Aroma
Moderne und alte Weizensorten schmecken gleich gut
Moderne Weizensorten liefern grundsätzlich ähnlich aromatische Brote wie
die alten Sorten. Unterschiede bestehen zwischen einzelnen Sorten – und den Anbaugebieten. Das fand ein Team aus deutschen und Schweizer Forschern unter Federführung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Universität Hohenheim in Stuttgart heraus.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verglichen Geschmack und
Geruch von Broten, die in enger Kooperation mit je einem handwerklichen
Bäcker und Müller mit Mehl aus alten und aus modernen Weizensorten
gebacken wurden. Außerdem beschreibt das Forschungsteam nun im Journal
Food Research International, wie es den Geschmack und andere
Broteigenschaften molekularbiologisch vorhersagen kann.
Weizen gehört zu den für die Ernährung der Weltbevölkerung wichtigsten
Nahrungspflanzen. In den letzten Jahrzehnten züchtete man neue Sorten, die
nicht nur deutlich ertragreicher sind als alte Sorten, sondern auch
unempfindlicher gegen Schädlinge und sich ändernde klimatische
Gegebenheiten. Darüber hinaus konnten auch die Backeigenschaften verbessert werden.
Bei der Züchtung, aber auch beim Anbau und Handel von Weizen, stand bisher
nicht das Aroma des aus dem Weizenmehl gebackenen Brotes – sein Geruch und
Geschmack – im Vordergrund. Dies liegt unter anderem auch daran, dass es
sehr aufwändig ist, das Aroma zu erfassen. Eine umfassende Studie hat nun
das Aromapotenzial verschiedener alter (Sortenzulassung vor 2000) und
moderner Weizensorten in den Blick genommen und für die Aromavorhersage
molekularbiologische Methoden eingesetzt.
Die Studie zeigt, wie Wissenschaft entlang der Wertschöpfungskette
gelingt: Beteiligt waren neben verschiedenen Instituten der HHU und der
Universität Hohenheim auch die Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften, das Max-Planck-Institut (MPI) für Molekulare
Pflanzenphysiologie in Golm sowie die Bäckerei Beck in Römerstein, die
Stelzenmühle in Bad Wurzach und das Kreislandwirtschaftsamt in Münsingen.
80 Brote für die Wissenschaft
Um die Aromen zu vergleichen, stellte das Forschungsteam mit den Mehlen
aus insgesamt 40 Sorten nach gleichem Rezept Teige her und backte daraus
Brote. Um festzustellen, ob mögliche Aromaunterschiede auf die Weizensorte
oder auf die Standorte, an denen der Weizen gewachsen ist, zurückzuführen
sind, wurde für jede Sorte zwei Brote gebacken: eines mit Weizen, der in
Gatersleben gewachsen ist, und eines mit Weizen aus Stuttgart-Hohenheim.
Die Teige und die Brote wurden zunächst nach äußeren Parametern verglichen
(Teigelastizität, Brotgröße). Anschließend beurteilten Testpersonen den
Geruch und den Geschmack der Brote nach einem festgelegten Schema.
Zunächst beschrieben die Tester generell, wie aromatisch – oder fade – ein
Brot schmeckt. Anschließend charakterisierten sie mit Hilfe des
sogenannten „Wäderswiler Aromarades“ das Brotaroma genauer.
Aroma-Unterschiede je nach Sorte und Anbauort
„Mir wird oft gesagt, moderne Sorten würden doch fadere Brote liefern als
alte Sorten“, erklärt apl. Prof. Dr. Friedrich Longin von der Universität
Hohenheim. „Das konnten wir widerlegen. Es gab sowohl bei den alten als
auch bei den modernen Sorten solche, die sehr wohlschmeckende Brote
lieferten. Es ist faszinierend, wie sich die Brote je nach Weizensorte
geschmacklich und im Geruch unterscheiden.“
Der Bäckermeister Heiner Beck aus Römerstein hat alle Brote verbacken und
mitprobiert: „Ich habe schon viele Brote aus verschiedenen Weizensorten
hergestellt und getestet. Aber ich bin überrascht, wie sich die Brote aus
den verschiedenen Sorten in Form, Aroma und sogar Farbe unterscheiden.“
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis: Der Boden, auf dem der Weizen
wuchs, hat oft einen ähnlich großen Einfluss auf das Backergebnis und den
Brotgeschmack wie die Weizensorte. Hierin spiegeln sich die
unterschiedliche Bodenbeschaffenheit sowie Nähr- und Mineralstoffgehalte
der Standorte wider, die die Inhaltsstoffe in den Weizenkörnern beeinflussen.
Molekularbiologische Verfahren ermöglichen Vorhersage der Brotqualität
„Ein wesentlicher Aspekt unserer Studie ist, dass wir Methoden gefunden
haben, mit denen man die Qualität des Brotes anhand einiger molekularer
Marker und des Stoffwechselprofils der Mehle vorhersagen kann“, betont
Prof. Dr. Benjamin Stich vom HHU-Institut für Quantitative Genetik und
Genomik der Pflanzen. Die HHU-Forscher bestimmten gemeinsam mit dem MPI
die Stoffwechselprodukte, die sich im Mehl fanden, und führten die
statistische Analyse zur Vorhersage der Broteigenschaften durch.
Die neue Methode hat einen entscheidenden Vorteil für die
Pflanzenzüchtung: Um eine neue Weizensorte für den Markt zu züchten,
werden regelmäßig sehr große Zahlen von Pflanzen – mehrere Tausend pro
Jahr – erzeugt, die alle auf ihre Eigenschaften hin untersucht werden
müssen. „Es wäre viel zu aufwändig, aus dem Mehl all dieser Pflanzen Brote
zu backen und diese zu verkosten“, so Stich. Mit dem neuen Verfahren kann
der Züchter zumindest sehr schnell solche Pflanzen erkennen, die Brote mit
besserer Qualität liefern. Solche Pflanzen kann er dann in die engere
Auswahl ziehen und im Testbacken final überprüfen.
DOI: 10.1016/j.foodres.2019.108748
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
.