06.10.2019
Volksbegehren -Rettet die Bienen- Experten der Univ. Hohenheim kritisieren Forderung
Sehr gut gemeint, aber schlecht gemacht
Bayern hat es vorgemacht: Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ war das erfolgreichste der Landesgeschichte und soll nun 1:1 Gesetz werden. Seit vergangener Woche läuft auch in Baden-Württemberg ein Volksbegehren unter gleichem Namen.
Doch die Forderungen zum Stopp des Insektensterbens gehen
deutlich über das bayerische Vorbild hinaus. Entsprechend größer ist auch
der Widerstand der Landwirte. Experten der Universität Hohenheim stehen
den Forderungen ebenfalls kritisch gegenüber. In Presse-Statements äußern
sich Prof. Dr. Johannes Steidle, Tierökologe, Dr. Sabine Zikeli, Leiterin
des Zentrums für ökologischen Landbau, Prof. Dr. Ralf Vögele, Dekan der
Fakultät Agrarwissenschaft und Direktor des Instituts für Phytomedozin
sowie Dr. Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde.
Das Volksbegehren „Artenschutz: Rettet die Bienen“ ist eine Initiative von „proBiene - Freies Institut für ökologische Bienenhaltung“ und wird von zahlreichen Verbänden wie BUND BW, NABU BW, Demeter BW oder Naturland BW unterstützt.
Die Forderungen im Überblick:
- Der Anteil der ökologischen Landwirtschaft soll bis 2035 auf 50% erhöht werden
- In Naturschutzgebiete sollen Pestizide verboten werden
- Flächen auf denen Pestizide eingesetzt werden sollen sich bis 2025 halbieren
- Streuobstwiesen sollen geschützt werden
Pressestatements
Prof. Dr. Johannes Steidle, Fachgebiet Tierökologe, Universität Hohenheim:
„Meine Einschätzung zum Volksbegehren zusammengefasst: Sehr gut gemeint,
aber schlecht gemacht.
Das Thema Insektensterben ist wirklich ernst, und es bleibt zu hoffen,
dass die Politik schnell handelt. Ich bin dankbar, dass das Volksbegehren
Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema lenkt. Dennoch werde ich den Text
in der vorliegenden Form nicht unterschreiben.
Hauptkritikpunkt aus meiner Sicht: Die Forderungen sind zu sehr auf die
Pestizide verengt. Sie sind sicherlich ein Faktor für das Artensterben.
Aber sie zum Kern des Problems zu erklären, das gibt die Datenlage nicht
her.
Ein wirklich entscheidender Faktor wird im Volksbegehren hingegen quasi
gar nicht berücksichtigt: Damit Insekten überleben können, benötigen sie
Lebensräume: Fraßpflanzen, Pflanzen, an denen sie ihre Eier ablegen
können, Lücken im Boden, blühende Wildpflanzen, Hecken…
Monokulturen mit Nutzpflanzen sind für Insekten hingegen in etwa so
attraktiv wie eine geteerte Fläche. Ob man auf dieser ‚geteerten Fläche‘
dann auch noch Pflanzenschutzmittel ausbringt oder nicht, spielt
letztendlich keine so große Rolle mehr.
Der erste Schritt wäre also etwas gegen die Strukturarmut unserer
Landschaft zu unternehmen: Beispielsweise ein verpflichtender Grünstreifen
am Rande großer Äcker. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist auch ein anderer
Umgang mit Grünland, das in immerhin 50% der landwirtschaftlichen Fläche
in Deutschland ausmacht. Es sollte erheblich seltener gemäht werden.
Mein zweiter Kritikpunkt ist das geforderte Pauschal-Verbot sämtlicher
Pflanzenschutzmittel und Biozide in Schutzgebieten. So wie ich die
entsprechenden Gesetzestexte verstehe fallen darunter auch die biologische
Schädlingsbekämpfung und andere umweltfreundliche Methoden, ohne die
biologische Landwirtschaft nicht möglich wäre.
Beispielsweise setzen viele Winzer beim Kampf gegen den Sauerwurm und den
Heuwurm auf eine biologische Verwirrungstaktik. Sie bringen im Weinberg
Gerüche von Weibchen aus, damit die Männchen die echten Weibchen nicht
mehr finden. Eine erfolgreiche und bewährte Strategie, die dabei hilft,
den Einsatz chemischer Gifte zu reduzieren. Diese Methode wäre auch
verboten.
Im Nachhinein für jedes einzelne biologische Mittel eine Sondergenehmigung
auf den Weg zu bringen halte ich für einen nicht leistbaren bürokratischen Aufwand.
Mein Eindruck ist: Das bayerische Volksbegehren war so erfolgreich, weil
vorab ein intensiver Dialog mit allen betroffenen Gruppen stattgefunden
hat. In Baden-Württemberg wurde diese Auseinandersetzung hingegen offensichtlich versäumt.“
Dr. Sabine Zikeli, Leiterin des Zentrums für ökologischen Landbau, Universität Hohenheim
„Das Volksbegehren will den Ökolandbau massiv ausbauen. Ich bin jedoch
überzeugt, dass die Forderungen, wenn sie 1:1 umgesetzt würden, der
Branche keinen Gefallen täten. Im Gegenteil.
Der Text des Volksbegehrens suggeriert, dass im ökologischen Landbau
keinerlei Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden. Auf den ökologischen
Ackerbau trifft dies weitgehend zu: Hier gibt es alternative Strategien
der Schädlingsbekämpfung: z.B. über die mechanische Bekämpfung von
Beikräutern oder über die Fruchtfolge, um Pilzkrankheiten und Schädlinge
zu vermeiden. Im Obst- und Weinbau können jedoch weder Pilze noch Insekten
auf diese Weise bekämpft werden. Auch beim Kartoffelanbau müssen Maßnahmen
gegen den Kartoffelkäfer ergriffen werden.
Zwar kommen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel zum Einsatz,
dafür aber Kupfer, pflanzliche Präparate oder biologische Mittel, wie z.B.
Viren, die auf bestimmte Insekten wirken. All dies wäre gemäß den
Forderungen des Volksbegehrens jedoch nicht mehr erlaubt.
Jeder Kleingärtner weiß aber, dass man unter unseren Klimabedingungen zwar
Äpfel kultvieren kann, diese aber ohne biologische Schädlingsbekämpfung
eben nicht immer schön aussehen, sondern Schorfflecken zeigen oder von den
Raupen des Apfelwicklers befallen sind. Wir müssten den Apfelanbau also in
Landschaftsschutzgebieten einstellen oder die Apfelbäume einhausen, das
heißt unter Folie und Netz kultivieren. Ich vermute jedoch, dass die
Initiatoren des Volksbegehrens keine großflächige Folien-Plantagen am
Bodensee im Sinn hatten.
Auch der Plan, die biologische Landwirtschaft bis 2025 auf 25% und bis
2030 auf 50% zu erhöhen erscheint mir unrealistisch. Für die Erzeugnisse
muss schließlich auch ein Markt da sein. Der Bio-Markt wächst zwar, aber
eben nicht so schnell. Die Konkurrenz unter den biologischen Landwirten
würde also erheblich zunehmen, sodass der Ökolandbau an Attraktivität verlieren würde.
Nicht zuletzt lebt der ökologische Landbau davon, dass die Landwirte
diesen Weg aus Überzeugung gehen. Würde man den Umstieg gewissermaßen
erzwingen, ist von deutlich mehr schwarzen Schafen auszugehen. Richtlinien
müssten vermutlich noch viel schärfer kontrolliert werden und die
Glaubwürdigkeit der Branche könnte in Gefahr geraten.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass der ökologische Landbau
im Vergleich zum konventionellen Landbau stärker zum Erhalt der
Biodiversität beiträgt. Den Landwirten ist dies bewusst und der Erhalt der
Biodiversität vielen von ihnen ein sehr großes Anliegen.
Verbände wie Demeter BW oder Naturland BW unterstützen das Volksbegehren.
Ich vermute allerdings, dass hier vor allem die Stimmen von Mitgliedern
gehört wurden, die Ackerbau betreiben und die Konsequenzen für
Sonderkulturen nicht in vollem Umfang wahrgenommen wurden. Der Verband
Bioland BW hat sich aus den genannten Gründen daher gegen das
Volksbegehren ausgesprochen.“
Prof. Dr. Ralf Vögele, Dekan der Fakultät Agrarwissenschaft und Direktor
des Instituts für Phytomedizin, Universität Hohenheim
„Der Grundgedanke des Volkbegehrens ist unterstützenswert. Aber leider
schießt es weit über das Ziel hinaus und ist deshalb aus meiner Sicht in
der vorliegenden Form nicht akzeptabel.
Ich bin überzeugt, dass wir den Einsatz chemisch-synthetischer
Pflanzenschutzmittel erheblich reduzieren können. Dazu müssen wir
intelligente Strategien entwickeln und es gibt ja bereits sehr
vielversprechende Ansätze. Eine pauschale Verteufelung bringt uns hingegen
nicht weiter.
Man darf nicht vergessen: Würden wir von heute auf morgen auf
Pflanzenschutzmittel verzichten, könnten wir die Weltbevölkerung nicht
mehr ernähren. Für viele deutsche Betriebe würde es das Aus bedeuten.
Kartoffeln oder Äpfel müssten wir z.B. nahezu komplett aus dem Ausland
importieren. Auch Weinbau wäre in Deutschland nicht mehr möglich.
Nicht außer Acht lassen darf man an dieser Stelle auch, dass eine
Reduktion der einsetzbaren Pflanzenschutzmittel zu großen
Resistenzproblemen führen kann. Eine Reduktion der Aufwandmenge kann sehr
schnell zur Unterschreitung des nötigen Schwellenwertes führen, was den
Einsatz der Mittel wirkungslos macht. Eine Reduktion des Spektrums der
Mittel führt dagegen aufgrund der Verwendung nur eines Wirkstoffs
gegebenenfalls schnell zur Entwicklung von Resistenzen bei den Erregern –
ähnlich der derzeit beobachtbaren zunehmenden Antibiotika-Resistenz bei
Krankenhauskeimen.
Ein vernünftiges und zukunftsweisendes Management des
Pflanzenschutzmitteleinsatzes wäre hier also weitaus zielführender.
Große Chancen bietet beispielsweise die Digitalisierung. Neue Technologien
helfen Landwirten dabei, Pflanzenschutzmittel immer gezielter ausbringen
und somit die Menge zu reduzieren.
Sehr vielversprechend halte ich auch einen Ansatz, der versucht, Vorteile
der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft miteinander zu
vereinen und deren jeweiligen Nachteile so weit wie möglich zu reduzieren.
Ziel sind Anbausysteme, die auf chemische Pflanzenschutzmittel verzichten,
nicht aber auf Mineraldünger. An der Universität Hohenheim koordinieren
wir dazu das 5,3-Mio.-Euro-Verbundprojekt „NOcsPS“.
Viele Menschen haben heute offensichtlich eine romantisch verklärte Sicht
auf die Landwirtschaft, aber keine Vorstellung von der Realität der
Betriebe. Diese fühlen sich durch das Volksbegehren zu Unrecht an den
Pranger gestellt.
Der Wunsch nach Verzicht auf Pflanzenschutzmittel steht zudem in krassem
Widerspruch zu dem tatsächlichen Verhalten der Verbraucher. Solange im
Supermarkt ausschließlich optisch makelloses Obst und Gemüse nachgefragt
wird, wird die Reduktion von Pflanzenschutzmittel nur schwer gelingen.“
Dr. Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde, Universität Hohenheim
„Auch wenn der Imkerschaft der Insektenschutz naturgemäß sehr am Herzen
liegt, sieht die Mehrheit die Maximalforderungen im Volksbegehren
kritisch. Daher unterstützen derzeit weder der württembergische noch der
badische Imker-Landesverband, die zusammen ca. 25.000 Imker vertreten, das
Volksbegehren.
Zahlreiche Obst- und Weinbauern insbesondere in Naturschutzgebieten der
Bodenseeregion haben inzwischen deutlich gemacht, dass sie sich durch die
Forderungen des Volksbegehrens in ihrer Existenz bedroht sehen. Indirekt
wäre davon auch die Imkerei betroffen.
Auch wenn es immer wieder Konflikte zwischen Landwirten und Imkern gibt,
so sind beide Seiten doch stark aufeinander angewiesen. Denn Obst- und
Gemüsebauern benötigen Bienen als Bestäuber und umgekehrt sind die
Sonderkulturen für die Imkerei wichtige Pollen- und Nektarquellen.
Die meisten Imker kennen die Sorgen und Nöte der Landwirte sehr gut, und
wissen z.B., dass im Bereich der Sonderkulturen nicht komplett auf
Pflanzschutz verzichtet werden kann. Zugleich haben Imker natürlich ein
starkes Interesse daran, dass ihre Bienenvölker gesund bleiben und der
Honig nicht durch Pestizide verunreinigt wird.
In Bienenschutzausschüssen wird deshalb seit vielen Jahren auf lokaler
Ebene intensiv darum gerungen, wie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
reduziert und die Anbauflächen bienenfreundlicher gestaltet werden können.
Diese durchaus kontroversen Auseinandersetzungen und Diskussionen haben
auch mit vielen konventionell arbeitenden Landwirten, die in diesem
Volksbegehren leider weitgehend außen vor bleiben, zu Verbesserungen beim
Bienenschutz geführt.
Eine Unterstützung des Volksbegehrens durch die Imkerverbände würde diese
Zusammenarbeit untergraben und gerade in den Obst- und Weinanbaugebieten
alte Gräben wieder aufreißen.“
Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
http://www.uni-hohenheim.de/presse
Universität Hohenheim
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