06.05.2019
Wie die Kartoffel zur Sonnenanbeterin wird
Eines mag die Kartoffel gar nicht: Wärme. Sind die Temperaturen zu hoch,
bildet die Pflanze deutlich weniger oder mitunter gar keine Knollen mehr.
Biochemiker der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)
haben nun herausgefunden, woran das liegt:
Steigt die Temperatur, blockiert eine sogenannte „kleine RNA“ die Knollenbildung. Den
Wissenschaftlern ist es gelungen, diese kleine RNA auszuschalten und so
wärmeresistente Kartoffelpflanzen zu erzeugen – angesichts des
Klimawandels ein wichtiger Beitrag, um Ernteerträge auch in Zukunft zu
sichern. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Current Biology aus dem Verlag Cell Press veröffentlicht.
Weltweit gehört die Kartoffel neben Mais, Reis, Weizen und Maniok zu den
wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Die höchsten Erträge lassen sich bei
gemäßigten Temperaturen erzielen – ideal für die Knollenbildung sind rund
21 Grad Celsius tagsüber und 18 Grad nachts. Bei diesen Temperaturen und
der richtigen Tageslänge wird in den Blättern ein knolleninduzierendes
Eiweiß mit dem Namen SELF-PRUNING 6A (SP6A) gebildet. Dieses signalisiert
der Pflanze, Knollen zu bilden, um auf Kälteperioden vorbereitet zu sein.
Ist es jedoch sehr warm – in den Laboren machten die FAU-Wissenschaftler
um Prof. Dr. Uwe Sonnewald als Grenze 29 Grad tagsüber und 27 Grad nachts
aus –, schaltet die Pflanze auf eine Art Wachstumsprogramm um: Sie bildet
mehr grüne Triebe und Blätter, aber weniger bis keine Knollen mehr. Hinzu
kommt: Die wenigen Knollen haben einen geringeren Stärkegehalt und keimen
schneller – sie sind also nicht so nahrhaft und verderben rascher.
„Bisher war der Mechanismus, der die Knollenbildung bei Hitze verhindert,
nicht bekannt“, erklärt Prof. Dr. Uwe Sonnewald, Inhaber des Lehrstuhls
für Biochemie. Gemeinsam mit seinem Forschungsteam hat er nun eine kleine
Ribonukleinsäure (RNA) ausgemacht, die aus etwa 19 Nukleotiden besteht und
die die Knollenbildung temperaturabhängig reguliert. Bei niedrigeren
Temperaturen ist sie inaktiv. Steigen die Temperaturen jedoch an,
blockiert sie die Bildung von SP6A und damit das Knollenwachstum.
In einem zweiten Schritt erzeugten die Wissenschaftler Kartoffelpflanzen,
in denen die Wirkung der kleinen RNA aufgehoben wurde und setzten sie
hohen Temperaturen im Gewächshaus aus. Das Ergebnis: Auch bei mehr als 29
Grad bzw. 27 Grad entstanden weiterhin Knollen von guter Qualität. „Unsere
Ergebnisse bieten die Chance, dass wir auch in Zukunft bei steigenden
Temperaturen noch Kartoffeln anbauen können“, sagt Prof. Dr. Sonnewald.
Als nächstes wollen die Forscher die Kartoffelpflanzen unter
Feldbedingungen testen und prüfen, ob die Pflanzen auch unter realen Bedingungen der Hitze trotzen.
https://doi.org/10.1016/j.cub.2019.04.027
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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