23.12.2018
Lichtgespeiste Kraftpakete
Effizientere Solarzellen ahmen Photosynthese nach
Miniaturreaktoren umhüllt von Sammelstellen, die Lichtquanten einfangen
und an das Zentrum weiterleiten: So sind die kleinsten Bausteine der
Kraftfabriken in Organismen konstruiert, die ihre Energie direkt von der
Sonne beziehen.
Die enge Kopplung von Aufbau und Interaktion der
Bestandteile erhöht die Ausbeute, eine Strategie, die ein internationales
Team von Wissenschaftlern zum Vorbild nimmt, um der Solartechnik zu mehr
Effizienz zu verhelfen. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (FAU) ist der Lehrstuhl für Physikalische Chemie I an den
Forschungen beteiligt, deren aktuelle Ergebnisse in der renommieren
Fachzeitschrift Nature Chemistry vorgestellt wurden.*
Grünpflanzen, Algen und teils auch Bakterien nutzen das Sonnenlicht, indem
sie Energie umwandeln: Farbstoffe im Chlorophyll nehmen elektromagnetische
Strahlung auf, die Elektronen zu chemischen Reaktionen anregt. Dies
vollzieht sich im Kern von komplexen Proteinstrukturen, die den Fachleuten
als Photosysteme II und I bekannt sind. Die darin ablaufenden, von
Katalysatoren vermittelten Prozesse sind nacheinander geschaltet. In einem
ersten Schritt wird Sauerstoff aus Wasser freigesetzt; die folgende
Reaktion bereitet den Aufbau von Kohlehydraten vor, wofür dann keine Energiezufuhr mehr nötig ist.
Die Reaktionszentren der Photosysteme sind umringt von lichtabsorbierenden
Farbstoffen, die zu Sammelkomplexen gruppiert sind. Solche
„Lichtempfangsstationen“ oder Antennen vergrößern die Fläche, auf die
Strahlung auftreffen kann, und erweitern das Spektrum von nutzbaren
Wellenlängen, beides Voraussetzungen für eine günstige Energiebilanz. Etwa
30 Antennen umgeben jeweils einen Reaktorkern. Kein Versuch von
Wissenschaftlern, die Natur nachzuahmen, kann bisher annähernd damit
konkurrieren. Meist wird nur ein Verhältnis von 1:1 erreicht: ein Molekül,
das Licht absorbiert, in Kombination mit einem Katalysator zur Oxidation von Wasser.
Mit der Synthese von Modulen, die am Zusammenspiel von Struktur und
Funktion in Photosystem II orientiert sind, strebt die
Wissenschaftlergruppe um Prof. Dr. Dirk Guldi und seinem ehemaligen
Mitarbeiter Dr. Konstantin Dirian einen grundsätzlichen Wechsel in der
Solartechnologie an. In den neu entwickelten Systemen lagern sich
lichtabsorbierende Kristalle, wie sie in Leuchtdioden, Transistoren und
Solarzellen bereits verwendet werden, zu einem Netz aus sechseckigen Waben
um einen wasseroxidierenden Katalysator mit vier Ruthenium-Metallatomen im
Zentrum. Die kompakten, stabilen Einheiten aus zwei Komponenten mit einer
gemeinsamen Längsachse ähneln in einer vereinfachten Darstellung
zylindrischen Batterien. In dem selbstorganisierenden chemischen Prozess
entstehen aus solchen „Kleinstkraftwerken“ zweidimensionale Lamellen. Wie
übereinander liegende Schichten einer Torte formen sie einen gemeinsamen
Block, in dem sich die aus der Sonnenstrahlung gewonnene Energie sammelt.
Die ideale räumlich-funktionelle Anordnung im natürlichen Photosystem ist
damit nicht vollständig abgebildet, doch das Prinzip wird übernommen. Fünf
wabenförmig aufgebaute Makromoleküle mit der Fähigkeit, Licht einzufangen,
bilden um jeden Reaktorkern eine Hülle, und es hat sich gezeigt, dass
diese kleinen Kraftpakete bei der Solarenergie-Ernte fleißig und
erfolgreich sind. Der Wirkungsgrad liegt über 40 Prozent, die Verluste
sind niedrig. Auch Wellenlängen aus dem grünen Teil des Farbspektrums, den
Pflanzen reflektieren, lassen sich nutzen. Die Hoffnung, dass die
Solartechnik eines Tages ebenso gut wie die Natur die Sonne anzapfen kann,
erhält durch diese Forschungsergebnisse neue Nahrung.
* https://doi.org/10.1038/s41557-018-0172-y
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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