16.08.2018
Bäume im Klimawandel: Schneller groß mit leichterem Holz
Bäume im Klimawandel wachsen schneller. Das klingt wie eine gute Nachricht. Denn es bedeutet, dass Bäume mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre im Holz speichern und damit der Erderwärmung den Treibstoff entziehen. Doch ist die Rechnung so einfach? Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat Holzproben der ältesten existierenden Versuchsflächen aus 150 Jahren daraufhin analysiert – und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.
Das Team um Hans Pretzsch, Professor für Waldwachstumskunde an der TUM am
Wissenschaftszentrum Weihenstephan, hat Holzproben von mehreren hundert
Bäumen untersucht und jeden einzelnen Jahresring mit einem Hightech-
Verfahren analysiert – es sind mehr als 30.000. „Das Herz der LIGNOSTATION
ist eine Hochfrequenzsonde, mit der jede Probe in
Hundertstelmillimeterschritten abgetastet wird“, erklärt Pretzsch das
Analyseverfahren. „Damit messen wir das spezifische Gewicht des Holzes in
einer Genauigkeit und Auflösung, die bis vor Kurzem nicht denkbar war.“
Die Holzproben stammen von den ältesten Waldversuchsflächen in Europa, die
zeitgleich mit der Gründung der TU München vor 150 Jahren angelegt wurden.
Die Proben wurden von gängigen europäischen Baumarten genommen, wie etwa
von Fichten, Kiefern, Buchen und Eichen. „Wir kennen die Geschichte jeder
einzelnen Fläche, jedes einzelnen Baumes, sehr genau“, sagt Pretzsch.
„Damit können wir ausschließen, dass unsere Ergebnisse daher kommen, dass
der Wald heute anders bewirtschaftet wird als vor hundert Jahren.“
Der Klimawandel macht das Holz leichter
Mit der Kombination von Holzproben seit den 1870er-Jahren bis heute
gekoppelt mit modernster Messtechnik konnte das Team am
Wissenschaftszentrum Weihenstephan zeigen, dass das jährlich wachsende
Holz seit Beginn der Beobachtungen allmählich leichter geworden ist: Seit
1900 um acht bis zwölf Prozent. Im gleichen Zeitraum hat sich das
Volumenwachstum der Bäume in Mitteleuropa um 29 bis hundert Prozent beschleunigt.
Mit anderen Worten: Auch wenn heute mehr Holzvolumen produziert wird, ist
es inzwischen mit weniger Substanz gefüllt als noch vor einigen
Jahrzehnten. Die Erklärung, die sich vordergründig aufdrängt, trifft
allerdings nicht zu. „Vielleicht mutmaßen nun manche, dass das schnellere
Wachstum an sich schon die Ursache für unsere Beobachtungen sein könnte“,
sagt Dr. Peter Biber, Mitautor der Studie – „bei manchen Baumarten ist es
in der Tat so, dass breitere Jahresringe tendenziell auch leichteres Holz
haben. Diesen Effekt haben wir aber berücksichtigt. Die Abnahme der
Holzdichte, von der wir jedoch sprechen, hat andere Ursachen.“
Die Ursachen sehen Pretzsch und sein Team vielmehr im langfristigen
Temperaturanstieg, hervorgerufen durch den Klimawandel und der damit
zusammenhängenden Verlängerung der Vegetationszeit. Aber auch in den
Stickstoffeinträgen aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie. Darauf
deuten für Fachleute etliche Details hin, wie etwa ein Rückgang der
Spätholzdichte und eine Zunahme des Frühholzanteils in den Jahresringen.
Leichteres Holz – wo ist das Problem?
Leichteres Holz ist weniger stabil und sein Brennwert ist geringer. Dies
ist für zahlreiche Verwendungen entscheidend, vom Holzbau bis zur
energetischen Nutzung. Weniger stabiles Holz in lebenden Bäumen steigert
zugleich das Risiko von Schadereignissen wie Wind- und Schneebruch in Wäldern.
Das für Praxis und Politik wohl wichtigste Ergebnis der Studie ist jedoch,
dass die aktuelle klimawirksame Kohlenstoffbindung der Wälder überschätzt
wird, solange sie mit den gängigen veralteten Holzdichten berechnet wird.
„Immer noch führt das beschleunigte Wachstum auch zu einem Mehr an
Kohlenstoffbindung“, sagt Pretzsch. „Auf die Wälder von Mitteleuropa
hochgerechnet liegt aber die traditionelle Schätzung um zehn Millionen
Tonnen Kohlenstoff pro Jahr zu hoch.“
Lehrstuhl für Waldwachstumskunde:
http://waldwachstum.wzw.tum.de/
Technische Universität München
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