28.06.2018
Durchbruch bei Suche nach Alternative zum Kükentöten
Aus wirtschaftlichen Gründen sterben jedes Jahr in Deutschland rund 50 Millionen männliche Küken, weil sie keine Eier legen und schlecht Fleisch ansetzen. Mehrere Teams forschen nach Alternativen, um das Töten von männlichen Eintagsküken zu stoppen. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben eine Methode entwickelt zur nichtinvasiven Fruchtbarkeits- und Geschlechtsbestimmung, die gerade patentiert wird.
TUM: Was ist das Besondere an Ihrer Methode im Vergleich mit bisher
vorgestellten Vorgehensweisen, die etwa mit einem Laser oder einer
Punktierung des Eies arbeiten?
Professoren Benjamin Schusser und Axel Haase: Besonders an unserer Methode
ist, dass sie im Gegensatz zu den anderen Technologien auf das Öffnen der
Eischale komplett verzichtet. Mit Hilfe von Magnetresonanztomographie
bestimmen wir sowohl Geschlecht- als auch Befruchtungsstatus kontaktlos
und nicht-invasiv. Somit wird der Embryo nicht in der Entwicklung gestört
und es entsteht keine potentielle Eintrittspforte für Keime in das Ei, wie
es bei anderen Methoden der Geschlechtsbestimmung der Fall ist. Weiterhin
verwenden wir mit der Magnetresonanztomographie eine Technologie, die
millionenfach in der Humanmedizin erprobt ist und keine negativen Effekte auf den Organismus hat.
Wie früh muss denn das Geschlecht der Embryonen im Ei bestimmt werden, um
im Sinne des Tierschutzes handeln zu können?
Schusser/ Haase: Es gibt bisher wenige belastbare Daten bezüglich des
Schmerzempfindens von sich entwickelnden Hühnerembryonen. In einer
Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom
31.7.2017 wird davon ausgegangen, dass vor dem siebten Entwicklungstag
keine Empfindungen möglich sind und gesichert ab dem 15. Entwicklungstag
von einem Schmerzempfinden ausgegangen werden kann. Für die Zeitspanne
zwischen dem siebten Entwicklungstag bis zum 15. gibt es gegensätzliche
Meinungen, so dass keine abschließende Stellungnahme möglich ist. Generell
ist eine möglichst frühe Geschlechtsbestimmung bis Entwicklungstag sieben im Hühnerei erstrebenswert.
Neben der rechtzeitigen Bestimmung des Geschlechts der Küken gibt es ein
weiteres Problem: Viele Eier sind nicht befruchtet. Warum ist das so?
Schusser/ Haase: Es ist zwischen Hühnerlinien für die Eierproduktion und
für die Fleischproduktion zu unterscheiden. Die Linien wurden über
Jahrzehnte entweder auf Merkmale für die Produktion von Eiern oder für die
Produktion von Fleisch selektiert. Jedoch korrelieren Ei- und
Fleischproduktion negativ miteinander, sodass in der Mast nur Mastlinien
verwendet werden. Diese Tiere weisen jedoch mit steigendem Gewicht eine
geringere Qualität des Spermas und der Fitness auf, weswegen die
Befruchtungsrate der Eier abnimmt. Somit nimmt mit steigendem Alter der
Elterntierherde die Befruchtungsrate der Eier ab. Zurzeit ist es aber erst
nach Beginn der Inkubation – über ein Durchleuchten der Eier –, möglich zu
erkennen, ob sich ein Embryo entwickelt oder ob das Ei unbefruchtet war.
Die so als unbefruchtet detektierten Eier müssen verworfen und dürfen
aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht mehr der verarbeitenden Industrie
zugeführt werden. Ist es jedoch möglich, vor Beginn der Inkubation zu
erkennen, ob ein Ei befruchtet wurde, dann können die unbefruchteten Eier
aussortiert und weiterverarbeitet werden. Somit gibt es eine sinnvolle
Verwertung für diese Eier, Inkubatorkapazität kann für befruchtete Eier genutzt.
Wie sieht da Ihre Lösung aus?
Schusser/ Haase: Wir haben auch hierfür eine Methode entwickelt, um mit
Hilfe der Magnetresonanztomographie bestimmte Magnetresonanz-Parameter im
Hühnerei noch vor der Inkubation zu messen, um eine Unterscheidung von
befruchteten und unbefruchteten Eiern machen zu können. Unter der
Verwendung von deep learning und künstlicher Intelligenz wurde ein
Algorithmus entwickelt, welcher an Hand der MRT-Messdaten eine
Unterscheidung der Eier hinsichtlich ihres Befruchtungsstatus vornimmt.
Zurzeit melden Sie Ihre Methode zum Patent an. Wann wird sie marktreif und
kann von der Geflügelindustrie eingesetzt werden?
Schusser/ Haase: Besonders unsere Methode der Bestimmung des
Befruchtungsstatus ist ausgereift. Hier ist es möglich innerhalb des
nächsten Jahres einen Prototyp zum Testen unter Feldbedingungen zu
installieren. Die Geschlechtsbestimmung funktioniert auch, bedarf aber
noch mehr Forschungsarbeit, um die Genauigkeit zu verbessern. Mit der
Installation eines Prototyps in einer Brüterei ist in den nächsten zwei
Jahren zu rechnen. Das Magnetresonanz-Gerät zur Bestimmung der Befruchtung
der Eier und des Geschlechts der Embryonen ist dabei identisch, nur die
Bildauswertung muss auf die jeweilige Messaufgabe hin optimiert werden.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://hez.wzw.tum.de/index.php?id=41
Technische Universität München
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