21.05.2018
Weiße Gespenster am Straßenrand - die Pfaffenhütchen-Gespinstmotte
Ein gespenstisch anmutendes Bild in der Landschaft: Eingesponnene und kahl
gefressene Sträucher leuchten weiß und silbern im Sonnenlicht. Die
gespenstischen »Verhüllungsaktionen« a la Christo der Gespinstmotten sind
spektakulär, aber für Mensch und Pflanze wenig bedrohlich.
Wie im letzten Jahr mehren sich auch heuer an der Bayerischen
Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) die Nachfragen besorgter
Naturfreunde. Sie betreffen die schaurig-schönen Gespinste an Sträuchern,
wie sie jetzt im Mai häufig auch entlang von Straßen zu sehen sind. Die
Bürger sind nicht selten sensibilisiert durch Meldungen über die
Gesundheitsgefahren des Eichenprozessionsspinners. Aber nicht jedes
Gespinst in Sträuchern und Bäumen ist auf den Eichenprozessionsspinner
zurückzuführen, denn dieser lebt ausschließlich an Eichen. Ein weiterer
Unterschied: Eichenprozessionsspinner bauen kompakte Nester, die
Gespinstmotte dagegen lässt häufig die ganze Pflanze oder zumindest große
Flächen davon unter ihrem Netz verschwinden.
Das Aussehen der von Gespinstmotten eingesponnenen Sträucher ist zwar
gruselig, aber aus gesundheitlicher Sicht für den Menschen vollkommen
harmlos. Die Raupen und Gespinste der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte rufen
keine allergischen Hautreaktionen hervor.
Aber was sind nun die Ursachen und Folgen dieser spektakulären
Erscheinungen?
Die häufigsten dieser weithin sichtbaren Raupengespinste werden durch die
Traubenkirschen-Gespinstmotte verursacht. Heuer sind es jedoch meist die
Gespinste der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte (Yponomeuta cagnagella). Ab Mai
fressen die Raupen an den Blättern des Pfaffenhütchens (lateinisch
Euonymus europaeus, auch Spindelbaum genannt). Das ist erstaunlich, denn
alle Pflanzenteile enthalten hochwirksame Giftstoffe, an denen selbst
große Weidetiere sterben können. Stark befallene Pfaffenhütchen können
auch komplett kahlgefressen werden. Die Pfaffenhütchen-Sträucher erholen
sich aber im Laufe der Vegetationszeit wieder. Zwei bis drei Wochen nach
dem Kahlfraß treiben sie wieder aus.
Noch bis Mitte Juni werden die Raupen der Gespinstmotte an den
Pfaffenhütchen fressen, bevor sie sich im Juli zu kleinen Schmetterlingen
entpuppen. Es sind kleine helle Falter von einem Zentimeter Spannweite und
auffällig schwarz gepunkteten Flügeln. Danach ist es dann mit den
Gespenstern am Straßenrand wieder vorbei.
Es gibt noch zahlreiche andere Gespinstmottenarten und neben der
Traubenkirsche werden auch Weißdorn, Pappeln oder Weiden mit einem dichten
Gespinst überzogen, manchmal auch Obstbäume. Wenn man im Garten kleine
Gespinste an den Apfelbäumen entdeckt, reicht es meist, den Teil des
Zweiges auszubrechen und zu entsorgen.
Gespinstmotten zeigen auch ein interessantes, menschlich anmutendes,
biologisches Phänomen. Nicht alle Raupen verpuppen sich im Schutz eines
Gespinstes um sich zum fertigen Falter zu entwickeln. Einzelne Raupen
bessern ständig entstandene Schäden am Schutzschleier aus. Sie sterben ab,
ohne sich zu verpuppen – zum Wohle der Artgenossen.
Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
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