29.12.2017
Lecker und gesund: Lactobacillus zur Mikrobe des Jahres 2018 gekürt
Die Mikrobe des Jahres verzehren wir täglich: als Sauerteigbrot mit Käse oder Salami, im Joghurt oder in Form von Sauerkraut, roter Bete, eingelegten Gurken oder Oliven. Lactobacillus begleitet uns von Geburt an und unterstützt unsere Verdauung, das Immunsystem und sogar unser Wohlbefinden. Die von ihm hergestellte Milchsäure macht Lebensmittel haltbar und dient als Grundlage für abbaubare Folien und Verpackungen.
Lactobacillus - übersetzt „Milch-Stäbchen“ - ist Teil unserer
Kulturgeschichte: Vor etwa 7000 Jahren begannen sesshaft gewordene
Viehzüchter in Nordeuropa verstärkt Milch(produkte) zu verzehren. Die
Bildung des eigentlich nur bei Säuglingen vorhandene Enzym Lactase für den
Abbau von Milchzucker setzte sich daraufhin bei erwachsenen
Mitteleuropäern durch - während etwa die meisten erwachsenen Asiaten bis
heute Milchprodukte schlecht vertragen. Die Menschen entdeckten, dass
sauer gewordene Milch nutzbar und lecker sein kann: in Form von Joghurt,
Kefir oder Käse beispielsweise. Dafür ist vor allem Lactobacillus
verantwortlich – ebenso wie für Säuerungsvorgänge zur Herstellung von
Sauerteigbrot, Sauerkraut oder anderen eingelegten Gemüsesorten.
Lactobacillus bildet aus den vorhandenen Kohlenhydraten Milchsäure.
Dadurch sinkt der pH-Wert so stark, dass sich schädliche Bakterien nicht
vermehren können: Lebensmittel werden haltbar. Etwa 5000 solcher
Lactobacillus-fermentierter Lebensmittel sind weltweit bekannt.
Partner auf Lebenszeit
Lactobacillus begleitet uns von Geburt an: Bei der Passage durch den
mütterlichen Geburtskanal werden die Bakterien auf das Baby übertragen.
Die Laktobazillen schützen das Neugeborene vor Krankheitserregern. Bei
Kaiserschnitt-Geburten fehlt dieser Schutz, sodass sich schädliche
Bakterien leichter im unreifen Säuglings-Darm ansiedeln können. Es gibt
Hinweise, dass Laktobazillen die Wahrscheinlichkeit von Allergien und
Autoimmunkrankheiten wie Diabetes und Morbus Crohn verringern. Teilweise
werden daher heutzutage Kaiserschnitt-Babys direkt nach der Geburt mit
Bakterien der Mutter eingerieben.
Helfer für Leib und Seele
Laktobazillen übernehmen viele weitere Aufgaben für unsere Gesundheit:
Dank bestimmter Enzyme machen sie für den Menschen unverdauliche
Kohlenhydrate zugänglich – vor allem die Ballaststoffe aus Vollkorn und
Gemüse, die im Dünndarm die erwünschten Darmbakterien stimulieren. Solche
Ballaststoffe werden heutzutage als „Präbiotika“ manchen Lebensmitteln
zugesetzt, beispielsweise in Form der langkettigen Zucker Inulin oder
Oligo¬fructose. Als „Probiotika“ werden hingegen Nahrungs- oder Heilmittel
bezeichnet, die gezielt bestimmte Bakterienstämme enthalten. Ob natürlich
oder zugesetzt: Laktobazillen sind wichtig für die Funktion der
Darmschleimhaut, die Nährstoffe vom Darm ins Blut transportiert und auch
unser Immunsystem unterstützt. Ist es gestört, können Infekte und
Autoimmunkrankheiten entstehen. Studien legen nahe, dass Laktobazillen
sogar unser Wohlbefinden beeinflussen: Bestimmte Lactobacillus-Stämme
verringern in Mäusen ängstliches und depressives Verhalten -
möglicherweise weil sie Botenstoffe produzieren, die bei der
Nervenübertragung im Gehirn eine Rolle spielen.
Milchsäure für Bio-Plastik und Medizintechnik
Biotechnologisch werden Laktobazillen eingesetzt, um im industriellen
Maßstab Milchsäure herzustellen – weltweit etwa 500.000 Tonnen pro Jahr.
Als Lebensmittelzusatzstoff (E 270) erhöht Milchsäure die Haltbarkeit von
Back- und Süßwaren sowie Limonaden. Auch Seifen, Cremes und Spülmittel
enthalten die desinfizierend wirkende Milchsäure.
Durch Verknüpfung mehrerer Milchsäure-Moleküle entstehen Milchsäure-
Ketten, die Polylactide. Daraus gewonnene Materialien sind stabil, aber
biologisch abbaubar, sodass sie zu Bio-Folien und -Verpackungen
verarbeitet werden. Medizintechniker verwenden Polylactide für
Nahtmaterialien und Implantate, die sich nach einiger Zeit im Körper
zersetzen. (Anja Störiko)
Über die Mikrobe des Jahres
Die Mikrobe des Jahres weist auf die bedeutsame Rolle der Mikroorganismen
für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft hin. Mikrobiologen
der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) wählen
sie im fünften Jahr aus, um auf die Vielfalt der mikrobiologischen Welt
aufmerksam zu machen.
Die VAAM ist Gründungsmitglied im VBIO und vertritt über 3500
mikrobiologisch orientierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus
Forschung und Industrie. Die Bandbreite der Forschung reicht von
Bakterien, Archaeen und Pilzen in allen Ökosystemen und in Lebensmitteln
über Krankheitserreger bis hin zu Genomanalysen und industrieller Nutzung
von Mikroorganismen, ihren Enzymen und Stoffwechselprodukten.
http://www.mikrobe-des-jahres.de
http://www.vaam.de
http://www.vbio.de
Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V.
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