28.11.2017
Bio-Rindfleisch: Neues Konzept eint Naturschutz und Landwirtschaft
Der Preis ist hoch, die Nachfrage entsprechend zurückhaltend: Bio-Rindfleisch tut sich in Deutschland noch schwer. Auch im Südschwarzwald ist es ein Problem, dass nach dem Abtrieb der Tiere von der Weide viel Fleisch gleichzeitig auf den Markt drängt während zu anderen Zeiten Mangel herrscht.
Ein wichtiger Grund: Es fehlt an angemessenen Stallkapazitäten
für eine Endmast der Tiere. Das wollen Wissenschaftler der Universität
Hohenheim in Stuttgart ändern. Gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern
arbeiten sie an einem neuen Stall- und Mastkonzept, das mit
naturschutznaher Beweidung einen Mehrwert für alle Beteiligten bietet. So
wollen sie die Belange von Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und
Naturschutz mit denen der Konsumenten unter einen Hut bringen und
gleichzeitig bedrohte alte Nutztierrassen fördern.
Der Südschwarzwald ist geprägt von Grünland auf kargen Böden. Diese
Flächen sind für den Naturschutz sehr wertvoll, doch um die Artenvielfalt
zu erhalten, muss Beweidung oder Mahd die Verbuschung verhindern.
Eigentlich ideale Voraussetzungen, um dort Bio-Rinder zu halten. Doch das
rentiert sich für viele Landwirte nicht.
„Die Weiderinder werden im Herbst abgetrieben, und ein Großteil geht dann
direkt in den Schlachthof“, erklärt Projektmitarbeiter Dr. Lukas Kiefer,
Agrarökonom an der Universität Hohenheim. „Das vergleichsweise große
Angebot zu der Zeit drückt in dem Moment die Preise für Bio-Rindfleisch.“
Zu anderen Zeitpunkten im Jahr stünde dagegen zu wenig Bio-Rindfleisch zur Verfügung.
Nun wollen die Forscher das Problem mit einem sogenannten
Sammelstallkonzept bei naturschutznaher Beweidung entschärfen: „Wir
entwickeln einen Stall, der zunächst einmal die Tiere nach der Weide
aufnimmt, so dass dann der Markt kontinuierlich beliefert werden kann“, so
Markus Kaiser, einer der initiierenden Landwirte. „Außerdem verbessert
diese Endmast nochmals die Fleischqualität, so dass sie auch den hohen
Ansprüchen der Verbraucher gerecht wird.“
Im Projekt „Grünlandschutz durch ein innovatives Bio-Weiderindkonzept“,
gefördert von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE),
entwerfen sie gemeinsam mit der Universität Göttingen, dem
Landwirtschaftlichen Zentrum Baden Württemberg (LAZBW) in Aulendorf sowie
zahlreichen Partnern aus Praxis, Naturschutz und Politik ein neues
Gesamtkonzept für die ökologische Rinderhaltung.
Bedrohte alte Nutztierrassen, Tierwohl und Naturschutz im Fokus der Forschung
„Das Tierwohl spielt bei dem Stallkonzept selbstverständlich eine große
Rolle“, betont Prof. Dr. Enno Bahrs, der Koordinator des Projekts von der
Universität Hohenheim. „Gleichzeitig muss der Stall aber auch flexibel
sein, um ständig Tiere aufzunehmen und abzugeben.“ Um das zu
gewährleisten, unterstützt ihn apl. Prof. Dr. Eva Gallmann vom Fachgebiet
Verfahrenstechnik der Tierhaltungssysteme an der Universität Hohenheim bei
der Planung des Stalles.
Mit im Fokus der Forscher: der Erhalt bedrohter, alter, regionaler
Rinderrassen, die gut an die Gegebenheiten vor Ort angepasst sind. Die
Vorderwälder und Hinterwälder Rinder sind heute zunehmend auf dem Rückzug.
Dem Naturschutz tragen die Forscher Rechnung, indem sie das Grünland
regelmäßig bonitieren, also die Artenvielfalt und die Häufigkeit einzelner
Arten erfassen. „Auf diese Weise können wir feststellen, ob und wie sich
die Artenzusammensetzung durch Beweidungszeiten und Beweidungsintensität
verändert und wann geeignete naturschützende Beweidungszeitpunkte sind“,
erläutert Prof. Dr. Martin Elsäßer vom beteiligten LAZBW Aulendorf.
Vermarktung des Bio-Rindfleischs stellt Grünlandschutz sicher
Schließlich muss das nach dem neuen Konzept erzeugte Bio-Rindfleisch auch
verkauft werden. „Dafür entwickeln wir zusammen mit den Praxispartnern der
EDEKA-Gruppe eine Vermarktungsstrategie“, legt Prof. Dr. Achim Spiller von
der Universität Göttingen dar. „So betrachten wir die gesamte
Wertschöpfungskette und wollen letztendlich Ökonomie und Naturschutz
miteinander vereinbaren.“
„Diese Form der Kreislaufwirtschaft ist naturschutzbetont, regionalisiert
und arterhaltend. Sie soll zukünftig eine Blaupause für viele andere
Mittelgebirgsregionen Deutschlands darstellen, die ebenfalls
schutzwürdiges Grünland auf vergleichsweise teure Weise erhalten müssen“,
fasst Prof. Dr. Bahrs zusammen. „Damit könnte durch zahlungsbereite
Verbraucher langfristig regionaler Grünland- und Naturschutz noch besser
gewährleistet werden als bislang.“
Hintergrund: Projekt „Grünlandschutz durch ein innovatives Bio-
Weiderindkonzept“ (GiB)
Das Projekt „Grünlandschutz durch ein innovatives Bio-Weiderindkonzept“
(GiB) wird von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im
BLE-Forschungsschwerpunkt „Innovationen für eine nachhaltige
Grünlandwirtschaft“ gefördert. Prof. Dr. Enno Bahrs vom Institut für
Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim koordiniert
das Vorhaben, das neben den genannten Forschungspartnern auch
Praxispartner hat. EDEKA Südwest Fleisch GmbH, lokale EDEKA-Märkte,
Akteure des Naturschutzes, des Tourismus, der Politik sowie Berater und
Landwirte aus dem Südschwarzwald, insbesondere der Gemeinde Bernau sind
beteiligt und unterstützen das Projekt. Es startete 2017 und läuft bis
2020. Die Gesamtkosten belaufen sich auf über 400.000 Euro bei einer
Fördersumme von mehr als 300.000 Euro.
https://www.uni-hohenheim.de/expertenliste-biologischer-landbau
Universität Hohenheim
.