04.09.2017
Unstatistik des Monats: 80 Prozent der Insekten sind verschwunden
Die Unstatistik August ist die Meldung zur stark abnehmenden Zahl von Insekten in Deutschland. So warnte faz.net am 15. Juli „Schleichende Katastrophe: Bis zu 80 Prozent weniger Insekten in Deutschland“. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) warnte vor einem verheerenden Insektensterben: „Wer heute mit dem Auto übers Land fährt, findet danach kaum noch Insekten auf der Windschutzscheibe“ wurde sie in einem Artikel auf welt.de zitiert.
Die Online-Ausgabe der Schweriner Volkszeitung, svz.de, begibt sich in ihrem Artikel „Merkwürdig still
geworden – oder?“ vom 6. August auf Spurensuche und diagnostiziert eine
recht dünne Faktenlage.
Die Unstatistik August ist die Meldung zur stark abnehmenden Zahl von
Insekten in Deutschland. So warnte die Online-Ausgabe der „Frankfurter
Allgemeinen Zeitung“, faz.net, am 15. Juli „Schleichende Katastrophe: Bis
zu 80 Prozent weniger Insekten in Deutschland“
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/schleichende-katastrophe-bis-zu-80-prozent-weniger-insekten-in-deutschland-15107377.html
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) warnte vor einem
verheerenden Insektensterben: „Wer heute mit dem Auto übers Land fährt,
findet danach kaum noch Insekten auf der Windschutzscheibe“ wurde sie in
einem Artikel auf welt.de zitiert
https://www.welt.de/newsticker/news1/article166677644/Hendricks-warnt-vor-verheerendem-Insektensterben-in-Deutschland.html
Im Bundestags-Wahlprogramm der Grünen steht: „In den vergangenen Jahren hat die Zahl der
fliegenden Insekten um 80 Prozent abgenommen.“ Der Onlinebranchendienst
„Meedia“ hält dagegen, die Medien seien mit der Meldung vom Verschwinden
der Insekten in eine rot-grüne Wahlkampffalle getappt. Die Online-Ausgabe
der Schweriner Volkszeitung, svz.de, begibt sich in ihrem Artikel „Merkwürdig still geworden – oder?“
https://www.svz.de/deutschland-welt/panorama/merkwuerdig-still-geworden-oder-id17483886.html
vom 6.August auf Spurensuche und diagnostiziert eine recht dünne Faktenlage.
Woher kommt aber die Zahl „80 Prozent“? Sie stammt wohl aus einer Studie
im Orbroicher Bruch, einem Naturschutzgebiet nahe Krefeld, wo man 1989 und 2013 jeweils zwei
sogenannte Malaise-Fallen aufgestellt hat. Die Insekten fliegen in ein
kleines Zelt und landen in einer Fangflasche mit hochprozentigem Alkohol.
Die Falle wurde wöchentlich geleert und die toten Insekten gewogen. Über
einem Zeitraum von 24 Wochen fand man 1989 insgesamt pro Falle etwa 1270g
Biomasse und 2013 nur 280g – also fast 80% weniger. Die Krefelder
Insektenforscher sehen allerdings die Grenzen ihrer Studie: die
veröffentlichten Daten betreffen nur diese beiden Jahre (die Daten für die
Jahre dazwischen wurden bisher nicht publiziert) und man kann über die
Zeit zuvor und danach wenig aussagen; die Falle fängt im wesentlichen nur
flugaktive Insekten, nicht jene die nur krabbeln; und der Rückgang gilt
für die Messpunkte im Orbroicher Bruch und nicht für ganz Deutschland.
Manche Medien und Politiker haben all dies ignoriert und suggeriert oder
einfach behauptet, dass 80 Prozent aller Insekten in ganz Deutschland
verschwunden seien. Das zeigt die Studie eben nicht. Wir kennen keine
verlässliche Zahl für Deutschland und man bräuchte mehr Langzeitstudien
wie jene in Krefeld. Aber anders als andere Tierarten haben Insekten keine Lobby.
Es gibt jedoch gute Hinweise, dass bestimmte Insektenarten – wie die einst
von Kindern so geliebten Maikäfer – durch die Überdüngung, Pestizide und
Monokulturen deutlich reduziert worden sind. Neben der Landwirtschaft
tragen übrigens wir alle dazu bei, solange wir die auf diese Weise
erzeugten billigen Lebensmittel kaufen.
Manch einer würde sich wünschen, dass es in diesem Sommer 80 Prozent
weniger Mücken gäbe. Davon ist jedoch bislang nichts zu spüren.
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd
Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident
Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch
deren Interpretationen.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.unstatistik.de
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
.