04.09.2017
Nachhaltiger Baustoff: Pilze als Dämmmaterial nutzen
Die Zeiten, in denen Pilze ausschließlich auf unseren Tellern landen, sind vorbei. Je nach Verarbeitung eignen sich Myzelien nämlich auch als Dämmmaterial oder Baustoff und bieten somit eine nachhaltige Alternative zu Styropor oder Sperrholz.
Fraunhofer UMSICHT Mitarbeiterin Julia Krayer will pilzbasierte Materialien auf dem Markt etablieren.
Mit Pilzen assoziieren viele Menschen den Fruchtkörper, der sichtbar aus
dem Boden ragt und häufig verzehrt wird. Der eigentliche Pilz besteht
jedoch aus einem feinen Geflecht fadenförmiger Zellen und wächst
unterirdisch im Boden. Die Tatsache, dass sich dieses sogenannte Myzel je
nach Verarbeitung ebenso als Werk- oder Baustoff eignet, nutzt Julia
Krayer schon länger für ihre Arbeit. Die Biodesignerin arbeitet bei
Fraunhofer UMSICHT in der Abteilung für Nachhaltigkeits- und
Ressourcenmanagement und in der DEZENTRALE Dortmund, einer offenen
Werkstatt des Instituts für gemeinschaftliche Projekte zu Zukunftsfragen im urbanen Raum.
Krayer forscht an pilzbasierten Materialien und entwickelt Verfahren, mit
denen sich diese zu Werkstoffen weiterverarbeiten lassen. Im Rahmen der
Materialentwicklung werden Pilzwurzeln zunächst mit einem Nährboden aus
biologischem Abfall wie Kaffeesatz, Stroh und Buchenspänen vermischt.
»Nach zwei bis drei Wochen durchziehen die Myzelien-Fäden das gesamte
Substrat und bilden so eine feste Struktur, die anschließend zerkleinert
wird«, erklärt die Biodesignerin. Das zerbröselte Pilzmaterial lässt sich
nun in jede beliebige Form pressen, in der es zunächst verhärtet und im
Ofen getrocknet wird, bevor es weiterverarbeitet werden kann. »Das auf
diese Weise entstehende Material hat sehr gute Dämmwerte und macht es
somit zu einer Alternative zu Styropor«, sagt Julia Krayer. Wird das
pilzbasierte Material zusätzlich gepresst, erreicht es einen ähnlichen
Härtegrad wie Sperrholz und lässt sich auch für den Bau stabiler Möbel verwenden.
Schallabsorber aus Pilzen, statt aus Styropor
Aus dem pilzbasierten Material lassen sich in einem weiteren Schritt
Produkte für die Innenarchitektur herstellen, zum Beispiel Schallabsorber.
Derzeit bestehen Akustikelemente im Innenarchitekturbereich, mit denen
sich Wände oder einzelne Raumelemente verkleiden lassen, fast alle aus
Kunststoffschäumen wie beispielsweise Styropor, sagt Krayer: »Diese
Produkte sind somit weder besonders nachhaltig, noch lassen sie sich gut
recyceln, da sie meist zusätzlich mit Brandschutzmitteln bearbeitet
wurden.« Mit den pilzbasierten Materialien will die Biodesignerin eine
nachhaltige und kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Produkten im
Werk- und Baustoffbereich auf den Markt bringen. Denn für das von ihr
entwickelte Verfahren werden als Ausgangsstoffe lediglich Abfälle aus der
Lebensmittelproduktion genutzt. »Somit müssen wir keine teuren Materialien
einkaufen, und wir verzichten ebenfalls auf Holz, das erst Jahrzehntelang wachsen muss.«
Nächster Schritt: Unternehmensgründung
Mit dem Pilzmaterial-Projekt hat ein Team um Julia Krayer bereits den
Wissensdreieck-Wettbewerb des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft
und Organisation (IAO) gewonnen und so Zugang zu den Fdays
(FraunhoferDays) erhalten. Das Programm hilft jungen Forschern, ein
Geschäftsmodell für ihr Konzept zu erstellen, mögliche Hürden im Vorfeld
zu erkennen und alternative Strategien zu entwickeln. Mit dem Gewinn
verbunden ist außerdem ein Preisgeld in Höhe von 80 000 Euro, das Krayer
und ihre drei Mitstreiterinnen nun in eine erste Produktentwicklung
investieren - sei es für den Bau von Prototypen, die Anschaffung
benötigter Gerätschaften oder die Durchführung von Testphasen.
Im Fokus der Forschung steht derzeit die Frage, unter welchen Bedingungen
das Material am besten wächst, beispielsweise in Hinblick auf die
Temperatur oder die Luftfeuchtigkeit. Ein Großteil dieser Arbeiten findet
entweder in Julia Krayers Atelier oder in der DEZENTRALE Dortmund statt.
»Für die Zukunft planen wir jedoch, eigene Räumlichkeiten zu beziehen und
suchen derzeit nach geeigneten Immobilien im Ruhrgebiet«. Ebenfalls sei in
Überlegung, mit Pilzfarmen zusammenzuarbeiten, die die Infrastruktur und
Technik bereits haben, um dorthin Teile des Prozesses auszulagern.
In einem nächsten Schritt steht für Krayer und ihre Mitstreiterinnen die
Vorbereitung einer Unternehmensgründung auf dem Plan. Derzeit versuchen
die Gründerinnen einen EXIST-Antrag durchzubringen. Bei EXIST
(Existenzgründungen aus der Wissenschaft) handelt es sich um ein
Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi),
das wissensbasierte Existenzgründungen unterstützt. Für die Finanzierung
des geplanten Biotechnologie-Start-ups erhofft sich Julia Krayer eine
Mischung aus EXIST-Förderung und Investment.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dezentrale-dortmund.de/
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik
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