06.07.2017
Kaum geschlüpft, schon verhungert
Warum Rebhuhn-Küken in Deutschland kaum noch Überlebenschancen haben.
Feld und Wiesen sind zurzeit eine einzige Kinderstube. Als Nesthäkchen aller Tiere kommen jetzt im Juli die Rebhuhn-Küken auf die Welt. Aber während Entenküken oder Jungtauben genug Futter finden, müssen Rebhuhn-Küken schon vom ersten Tag an ums Überleben kämpfen. „Die Küken-Sterblichkeit ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen“, sagt Dr. Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung.
Wildbiologen sind sich da einig: Der Mangel an geeignetem Lebensraum für
Brut und Kükenaufzucht ist die Hauptursache für den Rückgang des
Rebhuhnbestands in Deutschland. „Europaweit ist die Rebhuhnpopulation seit
1980 um 94 Prozent eingebrochen. Die Küken verhungern schlichtweg“, berichtet Kinser.
Als Nestflüchter folgen Rebhuhn-Küken ihren Eltern auf Schritt und Tritt
und lernen so ganz schnell, wo sie ihr Futter finden. Der gerade erst
geschlüpfte Nachwuchs lebt fast ausschließlich von tierischem Eiweiß. Vor
allem Ameisenlarven stehen auf ihrem Speiseplan, die meist auf lichten
Bodenstellen und an Feldrändern zu finden sind. Und genau hier liegt das
Problem: Durch die intensive Landwirtschaft gibt es quasi keine offenen
Bodenstellen mehr, auf denen Ameisen und andere Insekten existieren. Der
häufige Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gibt den letzten Insekten den Rest.
Damit das Rebhuhn wieder auf die Beine kommt, unterstützt die Deutsche
Wildtier Stiftung ein Projekt der Universität Göttingen (siehe Infobox).
„In unseren Untersuchungsgebieten legen Landwirte strukturreiche
Blühflächen für die Rebhühner an.“, erklärt Projektleiter Dr. Eckhard
Gottschalk von der Abteilung Naturschutzbiologie der Universität
Göttingen. „Das Besondere daran ist, dass es einen Teil mit älterer
Vegetation gibt, in dem die Altvögel genügend Deckung zum Brüten finden,
und einen frisch eingesäten, lichten Vegetationsbereich, in dem sich die
Küken an Spinnen und Larven satt futtern können“, so Gottschalk weiter. In
den frisch eingesäten Bereichen der Blühflächen ist die Insektendichte
vier Mal höher als in einem Getreideacker.
Als sogenannte Agrarumweltmaßnahmen werden diese freiwilligen
Artenschutzleistungen der Landwirte mit einem finanziellen Ausgleich des
Landes Niedersachsen oder durch Projektmittel honoriert. Allerdings: Die
öffentlichen Mittel für solche wertvollen Leistungen sind knapp bemessen
und nur wenige Landwirte nehmen an Agrarumweltmaßnahmen teil. „Der
Löwenanteil der landwirtschaftlichen Förderung wird im Moment per
Gießkanne verteilt. Damit wird es keine Trendwende beim Rebhuhn geben“, so
Andreas Kinser. „Wir fordern eine gezielte Unterstützung von Landwirten,
die bei der Produktion Rücksicht auf Wildtiere nehmen!“
Info
Das internationale Projekt PARTRIDGE ist ein europäisches
Gemeinschaftsprojekt (EU-Interreg-Projekt), das die Lebensbedingungen in
der Agrarlandschaft beispielhaft verbessern soll. In den untersuchten
Landschaften werden dafür jeweils etwa sieben Prozent der Flächen im Sinne
der Wildtiere aufgewertet. Der Gradmesser für den Erfolg des Projektes ist
die Entwicklung der Rebhuhnpopulation.
Neben dem „Game and Wildlife Conservation Trust“ als Projektträger des
Dach-Projektes und der Demonstrationsregionen in England und Schottland
beteiligen sich Institutionen aus Belgien, den Niederlanden und
Deutschland an dem Projekt. Die Abteilung Naturschutzbiologie der Georg-
August-Universität Göttingen wird von der Deutschen Wildtier Stiftung und
dem Deutschen Jagdverband unterstützt.
http://www.DeutscheWildtierStiftung.de
Deutsche Wildtier Stiftung
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